Namen & Neues
Bezirksbürgermeister Benn schaltet sich in Thälmann-Debatte ein
Veröffentlicht am 09.09.2021 von Robert Ide
„Was der Mensch im Innersten sein Leben lang empfindet, wahrnimmt, fühlt, denkt, begehrt – das erlebt ihm keiner nach.“ Was einst Ernst Thälmann sagte, gilt auch heute noch beim Kulturkampf um das Andenken an den brutalen Kommunisten-Chef der Weimarer Republik, den die Nazis 1944 im KZ Buchenwald ermordeten und den die DDR zum offiziellen Helden als Arbeiterführer „Teddy“ stilisierten. Denn der Koloss von Prenzlauer Berg am Kopf des Wohnparks, der seinen Namen trägt, soll endlich eine Kommentierung bekommen, die über die „Fuck“-Graffiti hinausgeht. Nur welche?
Nach dem Tagesspiegel-Bericht über das Platzen der beauftragten historischen Kommission kommt nun noch einmal heftig Bewegung in die Sache. Jens Schöne, stellvertretender Leiter bei Berlins Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, hatte die Kommission verlassen, weil er die letzte Kommentierung nicht mittragen wollte: dass es neben dem offiziellen Heldenkult um Thälmann in der DDR auch eine „volkstümliche Verehrung des KPD-Vorsitzenden“ gegeben habe, „die eine gewisse Widerständigkeit gegen die erstarrte DDR-Wirklichkeit auszudrücken versuchte“. Schöne sagt dazu: „Das halte ich als Historiker für Unsinn und als Zeitzeuge für Quatsch.“
Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) muss nun das verfahrene Verfahren retten und sagt zu dem umstrittenen Satz auf Nachfrage: „Zu meiner Volkstümlichkeit in der DDR hat Ernst Thälmann nicht gehört.“ Die Angst, durch eine künstlerische Kommentierung des Denkmals (mit Projektionen und Filmen auf mehreren Sockeln rund um den Denkmalsockel) solle die historisch-kritische Kommentierung (diese ist auf zwei weiteren Stelen geplant) in den Hintergrund gedrängt werden, versucht er zu entkräften: „Wichtig ist, dass wir dieses Monstrum von Denkmal vom Sockel holen und sichtbar brechen.“
Am heutigen Donnerstagabend tagt der Kulturausschuss der Bezirksverordnetenversammlung und will zumindest einen Weg suchen, auf dem es weitergehen kann. Auch bei Jens Schöne trudelten Anfragen ein, ob er doch noch einmal in die Kommission eintreten wolle. Der macht dies aber auch von der Zusammensetzung abhängig: „Insgesamt kommt mir die ganze Instrumentalisierung Thälmanns durch die DDR bisher zu kurz“, sagt Schöne auf Nachfrage. Wenn sich daran etwas ändere, könne man noch mal neu nachdenken – „aber am besten erst nach den Wahlen“.
Und damit steht in der seit 2013 umkämpften Causa immerhin eines fest: Die Frage, ob es einen Mythos um Ernst Thälmann gegeben hat und geben soll, wird langsam selbst zu einem.