Namen & Neues

Anwohner, Naturschützer und Architekten fordern Baustopp in grünen Innenhöfen

Veröffentlicht am 29.09.2022 von Christian Hönicke

„Schluss mit dem Abholzen der grünen Innenhöfe“ – stattdessen ein Fäll-Moratorium durch den Berliner Senat: Das fordern das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS), der BUND Berlin, der NABU Berlin sowie „Architects for Future Berlin“ in einer gemeinsamen Stellungnahme. Statt grüne Wohnhöfe in Berlin zu bebauen, müssten „andere Möglichkeiten zur Wohnraumschaffung unbedingt primär genutzt werden“.

Im Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung sind derzeit 30 Bürgerinitiativen vereint, die sich in ganz Berlin mit Nachverdichtung und Versiegelung konfrontiert sehen. Die meisten von ihnen befinden sich im Ostteil der Stadt. Da die DDR-Bauplanung vom Senat nicht anerkannt wird und neue Bebauungspläne bislang fehlen, „werden die ursprünglich als Frei- und Grünflächen vorgesehenen Innenbereiche von Wohnanlagen seit einigen Jahren sukzessive bebaut“. Dies habe „verheerenden Folgen“, mindere die Lebensqualität der Menschen und schwäche die Klimaresilienz der Stadt.

Mit dem Beginn der „Fällperiode“ am 1. Oktober seien wieder viele Bäume und Grünflächen akut gefährdet. Und das, obwohl im Land Berlin seit 2019 die vom Senat ausgerufene Klimanotlage bestehe, so das Bündnis. „Dennoch betoniert der Senat grüne Innenhöfe, Spielplätze und andere sozial genutzte Freiflächen bis zur Höchstlast zu. Davon sind insbesondere grüne Höfe im Osten Berlins betroffen.“

Aus Pankow ist unter anderem die Bürgerinitiative Vesaliuskiez dabei. Die Gesobau errichte derzeit zwei achtgeschossige Wohnhäuser auf einem Spielplatz und einer Grünfläche, kritisiert Anwohner Christoph Strauß. „Trotz Protesten der Anwohnerschaft wurden über 35 größere und kleinere Bäume gefällt, Büsche und Hecken gerodet.“ Die Auswirkungen würden den AnwohnerInnen und der Stadtnatur noch lange zu schaffen machen: „Weniger Grün, dafür mehr Hitze, Staub, Lärm, schlechtere Luft.“

Anwohner und Umweltverbände fordern nun „mit allem Nachdruck vom Senat und den Bezirken“:

  • Keine Rodung und Bebauung von Grünflächen, sozial genutzten Freiflächen und grünen Innenhöfen
  • Erlass eines Moratoriums durch den Senat
  • Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten zur Wohnraumschaffung vor Neuversiegelung
  • Überprüfung aller Neubaupläne auf Klimatauglichkeit

„Solange nicht alle anderen Potenziale auf bereits versiegelten Flächen ausgeschöpft sind, dürfen begrünte Innenhöfe nicht bebaut werden“, fordert Carola Krauss, Mitglied im NABU Landesvorstand Berlin. Begrünte Höfe, Parks, Grünflächen und Spielplätze seien „kein Bauland“, so die Sprecherin des Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung, Britta Krehl. „Sie sind für unsere Zukunft essenziell und müssen geschützt und ausgeweitet werden.“

Die Präsidentin der Architektenkammer Berlin kritisiert das Defizit, dass nach derzeitigem Recht nahezu der gesamte Berliner Osten als „unbeplanter Innenbereich“ gilt, der ohne größere Hürden nach dem „Lückenschlussprinzip“ nachverdichtet werden kann. „Wir brauchen qualifizierte B-Pläne, um begrünte Höfe in verdichteten Gebieten als grüne Lungen für das Stadt- und das soziale Klima zu schützen“, sagt Theresa Keilhacker. Dieses Manko hatte auch das Bezirksamt Pankow auf Tagesspiegel-Nachfrage bereits zugegeben, sieht sich aufgrund von Personalnot aber nicht in der Lage, die geforderten Bebauungspläne aufzustellen. Auch Dachaufstockungen könnten ein Weg aus diesem Dilemma sein, so Keilhacker.

„Die meisten Städte stehen vor dem Problem, dass sie mehr Grünflächen schaffen und mehr Bäume pflanzen müssen“, sagt Christian Hönig, Fachreferent für Baumschutz beim BUND. „Berlin ruht sich auf seinem Ruf aus, die grüne Metropole Europas zu sein.“ Dieses Pfund werde derzeit verspielt, Berlin brauche „ein neues Konzept und neue Regeln“.