Sport
Veröffentlicht am 19.07.2018 von Christian Hönicke
30 Jahre nach dem Boss: Mauer weg, Rennbahn auch. Vor genau drei Jahrzehnten versammelte sich auf der Radrennbahn Weißensee die wohl größte Menschenmenge, die je eine Berliner Sportanlage betrat. Offiziell wurden 160.000 Karten verkauft – je nach Schätzungen geht man aber von 300.000 oder sogar 500.000 Menschen aus, die sich auf dem nicht umzäunten Gelände drängelten. Allerdings kamen sie nicht, um ein Radrennen zu sehen – sie wollten Bruce Springsteen zujubeln. Er spielte hier am 19. Juli 1988 sein legendäres Konzert.
„Es ist schön, in Ost-Berlin zu sein“, rief er den Menschen zur Begrüßung auf Deutsch zu, die richtige Aussprache hatte ihm zuvor sein deutscher Chauffeur auf dem Spickzettel vermerkt. „Ich bin nicht für oder gegen eine Regierung“, sagte Springsteen weiter, um sich gegen eine Instrumentalisierung durch die SED-Regierung zu wehren. „Ich bin gekommen, um Rock ’n’ Roll für euch zu spielen in der Hoffnung, dass eines Tages alle Barrieren abgerissen werden.“ Darauf brachen die Hunderttausende vor ihm in frenetischen Jubel aus, schreibt mein Kollege Lars von Törne, der das Konzert in seinem Artikel nachzeichnet. Darin kommt auch der US-Journalist Erik Kirschbaum zu Wort. Er vertritt die These, dass der Boss das Ende der DDR einläutete. 16 Monate später fiel die Mauer, laut Kirschbaum war das Konzert dabei ein wichtiger „Mosaikstein“.
Ein paar Jahre nach der Mauer verschwand auch die Radrennbahn. Sie war 1955 auf dem Gelände der „Trabrennbahn Weißensee“ mit Trümmerschutt erbaut worden und eigentlich nur für 9000 Zuschauer ausgelegt. Das Betonoval war unter anderem Schauplatz der Berliner Bahnmeisterschaften und Zielort des ältesten deutschen Radklassikers „Rund um Berlin“. Auch Motocross-Maschinen und Trialrädern rasten hier im Kreis.
Doch schon ab den 80ern trat die Nutzung als Rennbahn in den Hintergrund. Das Gelände wurde vor allem für große Festivals genutzt. Einen Monat vor Springsteen spielten in Weißensee beim „Rockfestival der DDR“ unter anderem Joe Cocker, die Rainbirds und James Brown, nach der Wende im August 1990 auch die Rolling Stones. Danach verfiel das Gelände in einen Dornröschenschlaf, die überhöhte Betonrennbahn wurde Ende der 1990er abgerissen. Stattdessen führt an dieser Stelle eine Leichtathletikbahn um einen Fußballplatz, der SV Blau-Gelb Berlin hat am Rande der alten Piste sein Vereinsheim. An die Radbahn erinnert heute nur noch ein Relief am ehemaligen Eingang. Ob der Boss das weiß?