Sport
Veröffentlicht am 18.06.2020 von Christian Hönicke
Jahn-Sportpark: Architektenverbände fordern Abriss-Stopp. Nun stellen sich auch Architekten gegen die Umbaupläne im Jahn-Sportpark von Prenzlauer Berg. „Die Abrissplanungen zum Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark sind sofort zu stoppen“, fordern der Bund Deutscher Architekten (BDA/Landesverband Berlin) und der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla/Landesgruppe Berlin-Brandenburg) in einer gemeinsamen Erklärung (den kompletten Artikel dazu finden Sie hier).
Der Sportpark und der angrenzende Mauerpark seien „eine Deutschland-, wenn nicht weltweit einmalige Sport- und Freizeitlandschaft“. Sie müsse „behutsam saniert und nicht brachial umgestaltet werden“. Der Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg soll für knapp 200 Millionen Euro zum „Inklusionssportpark“ umgestaltet werden. Kritik gibt es von Anwohnern und dem Bezirksamt Pankow insbesondere am geplanten Abriss des Großen Stadions und des anvisierten Neubaus für 120 Millionen Euro.
Ihre Forderung haben die Verbände in dem gemeinsamen Schreiben auch direkt an den Senat gerichtet. Sie vertreten die Auffassung, dass insbesondere der vom Senat geplante Abriss des Stadions „nicht stichhaltig begründet“ werde. Wir haben dazu mit Julia Dahlhaus, der Landesvorsitzenden des BDA, gesprochen.
Frau Dahlhaus, Sie haben den sofortigen Stopp der Abbruch- und Umbauplanungen im Jahn-Sportpark gefordert. Was konkret stört Sie denn an den Senatsplänen? Konkret ist es so, dass hier bisher nicht ganzheitlich gedacht wird. Der Mauerpark ist wunderbar, die Schmeling-Halle, das Stadion. Es geht darum, das gesamträumlich zusammenzuführen, statt einzelne Baumaßnahmen zu planen. Für eine Umgestaltung braucht man räumliche Konzepte, und die fehlen bisher völlig. Das ist ein Fehler.
Es gibt doch die Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2014. Die ist für Sie kein Konzept? Nein, das ist nur eine Bedarfsanalyse. Allein auf ihrer Grundlage darf man das Gelände nicht umgestalten oder Gebäude abbrechen. Auch die durchgeführte Bürgerbeteiligung reicht nicht.
Sondern? Man muss nach den besten Ideen suchen, indem man einen Realisierungswettbewerb durchführt. Eine Machbarkeitsstudie ist keine Idee, ein Abriss ist keine Gestaltung. Die Bedarfserfassung muss im Gegenteil innerhalb eines Ausschreibungsverfahrens kritisch überprüft werden.
Wie lange würde ein solcher Wettbewerb dauern? Ich denke, alles in allem würde das Verfahren weniger als ein Jahr dauern. Architekten und Landschaftsarchitekten müssen in einem interdisziplinären Realisierungswettbewerb Ideen entwickeln, wie man diesen Ort gestalten kann – Grundlage dafür sind selbstverständlich die Anforderungen an den Sportstandort, aber auch Bürgerbelange. Die Maßgabe sollte dabei sein, das Stadion zu erhalten. Außerdem muss kritisch hinterfragt werden, ob man wirklich direkt neben einem U-Bahnhof ein Parkhaus bauen muss.
Eine Kernfrage für die Gestaltung ist die Funktion des Jahn-Sportparks. Laut Sportverwaltung ist das Areal ein reiner Sportplatz. Anwohner weisen auf die historische Funktion als Grünanlage hin. Die Anlage funktioniert nach meiner Wahrnehmung für beides. Man kann dort Sport treiben, man kann aber auch durchflanieren und sich auf eine Bank setzen, während parallel Großveranstaltungen stattfinden. Das ist ja gerade die Qualität, und dieses Zusammenspiel gilt es zu erhalten. Der Jahn-Sportpark ist ein gelebter öffentlicher Ort mitten in Berlin.
Können Sie nicht verstehen, dass der Berliner Sport angesichts der Flächenknappheit eine Maximalverwertung des Areals will? Dass die Senatssportverwaltung sich darum kümmert, den Sportstandort zu entwickeln, ist richtig und klar. Aber Aufgabe der Stadtentwicklungsverwaltung ist es nun, ein geordnetes Verfahren zu starten. Deswegen richtet sich unser Appell an die Senatorin Katrin Lompscher. Vielleicht gelingt ja auch die so genannte Maximalverwertung ohne Verlust für den Standort. Genau das gilt es innerhalb eines Wettbewerbs zu klären.
Die Baubranche ist doch eigentlich immer für Neubau. Warum plädieren Sie denn für die Erhaltung eines Stadions, das doch so marode sein soll? Als Architekten denken wir schon ein bisschen komplexer. Wir sind ja auch für den Bestandsschutz vom ICC, vom Mäusebunker und vom Flughafen Tegel. Wir alle sind aufgefordert, im Sinne der Nachhaltigkeit den Bestand zu achten.
Das Stadion steht nicht unter Denkmalschutz. Dennoch muss ein Abriss aus oben genannten Gründen stichhaltig begründet werden. Sollte eine vertiefte Untersuchung ergeben, dass das Stadion tatsächlich abgebrochen werden muss, werden wir uns dem auch nicht verwehren. Aber wir glauben nicht, dass die bisherigen Untersuchungen dazu ausreichend sind.
Was haben Sie gegen eine moderne Arena, wie sie sich die Sportverwaltung und Verbände wünschen? Wir kennen alle die Mercedes-Benz-Arena am Ostbahnhof, das ist nun wirklich kein Glanzstück für Architektur und Städtebau. So etwas sollte nicht noch einmal in Berlin gebaut werden. Und dass jetzt schon der Abbruch des alten Stadions vorangetrieben wird, ohne eine ganzheitliche Vorstellung für den Standort zu haben – das geht einfach nicht.
Die politische Entscheidung zu Abriss und Umbau ist längst gefallen. Glauben Sie, Ihr Zwischenruf wird ein Umdenken bewegen? Das hoffen wir! – Text: Christian Hönicke
+++ Diesen Text haben wir dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Pankow entnommen. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de
Mehr Themen aus dem Pankow-Newsletter:
- Sechs neue Corona-Fälle in Pankows Schulen und Kitas
- Fête als Livestream: Das sind unsere Tipps
- Kunst und Corona: Bürgermeister will Plätze und Parks für Open-Air-Events öffnen
- „Schwarze sind in Berlin immer verdächtig“: Ein Prenzlauer Berger beklagt alltäglichen Rassismus
- Pankows Radfahrhölle: Mühlenstraße soll endlich Radweg bekommen
- Lebensmittelkontrollen: Foodwatch verklagt Bezirksamt
- Millionendeal: Gesobau kauft elf Häuser in Karow auf
- Nachverdichtung am Schlosspark: BVV will Krisengipfel
- Heidekrautbahn: Spatenstich im November
- Frau stirbt nach Tram-Unfall auf Wisbyer Straße
- Die Zukunft der Kavalierstraße? So stellen sich Planer Pankow (fast) ohne Autos vor
- Mauerpark-Flohmarkt öffnet am 5. Juli wieder
- Dolomitenstraße: BVV fürchtet „Zerstörung“ der Restmauer
- Jahn-Sportpark: Architektenverbände fordern Abriss-Stopp
Den Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de +++