Sport

Veröffentlicht am 17.03.2022 von Christian Hönicke

Abriss-Debatte um Jahn-Stadion geht weiter: Initiative wirft Senator Geisel „Intransparenz“ vor – seine Verwaltung kontert. Der Streit um den Jahn-Sportpark nimmt kein Ende. Die Bürgerinitiative Jahn-Sportpark erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Er breche die Versprechen im Berliner Koalitionsvertrag und im 100-Tage-Programm. Darin heißt es: „Um den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark zu einem Inklusionssportpark zu entwickeln, wird ein Realisierungswettbewerb ausgelobt.“ Auch im Koalitionsvertrag werde versprochen, den Jahn-Sportpark „zum Inklusionssportpark zu entwickeln“.

„Tatsächlich betrifft der von Ihnen angekündigte Realisierungswettbewerb, der am 21. März vorgestellt werden soll, den insbesondere für die Ziele der Inklusion relevanten Sportpark in keinster Weise“, kritisiert die Initiative. Der Realisierungswettbewerb werde stattdessen lediglich für das Stadion ausgelobt „und die behauptete Entwicklung des Sportparks wurde auf die nächste Legislaturperiode (nach 2026) verschoben“.

Geisel solle das Verfahren „auf solide Beine stellen und das Stadion zusammen mit dem Sportpark im Rahmen eines gemeinsamen Realisierungswettbewerbs entwickeln – genauso, wie es im Koalitionsvertrag steht“. Seine Ankündigung, den Sportpark zu einem „Inklusionssportpark“ zu entwickeln, sei „irreführend“ und „völlig unverbindlich“.

Mit dem nur auf das Stadion bezogenen Realisierungsverfahren setze sich Geisel auch über die Ergebnisse des Werkstattverfahrens hinweg, an dem Fachleute sowie Bürger beteiligt waren. „Dessen Ergebnisse sahen eine gemeinsame Entwicklung des Stadions und des Sportparks sowie die Prüfung beider Optionen (Umbau vs. Abriss) vor“, schreibt die Initiative.

Dies bedeute „eine klare Gewichtung zugunsten des Profisports“ und – gegen die Inklusion sowie gegen den Breiten-, Vereins-, Schul-, Kinder- und Jugendsport. Die Handlungsempfehlungen des Werkstattverfahrens würden „ignoriert und die Bürgerbeteiligung mit Füßen getreten“. Stattdessen werde nun „intransparent und hinter verschlossenen Türen beschlossen, Abriss / Neubau zu verfolgen und die Prüfung eines möglichen Umbaus des Stadions zu verwerfen“, wirft die Initiative dem Senator vor.

Geisels Senatsverwaltung wies das zurück. „Die Vorwürfe der Initiative entbehren jeder Grundlage“, erklärte eine Sprecherin. „Es stand von Anfang an fest, dass das Lenkungsgremium die letzte Entscheidung treffen wird.“ In dem abgeschlossenen Werkstattverfahren seien „durchweg transparent die Rahmenbedingen, Entscheidungsspielräume und vor allem die Entscheidungsinstanzen kommuniziert“ worden.

Der nun startende Realisierungswettbewerb habe in der Tat zunächst nur das Stadion zum Gegenstand „und als Ideenwettbewerb auch den Sportpark“, so die Sprecherin. „Beides muss selbstverständlich zusammen gedacht werden. Das tun wir auch.“

Der frühere Sportsenator Geisel hat sich bereits mehrfach als vehementer Befürworter eines Komplett-Neubaus des Stadions geäußert. Er lehnt einen Umbau als ungeeignet ab. Zuletzt hatte die neue Berliner Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) von einem „Neubau“ des Stadions gesprochen – dabei sollen die „identitätsstiftenden Merkmale“ wie die Hinterlandmauer auf dem Stadionwall, die Flutlichtmasten und die Haupttribüne möglichst „einbezogen“ werden.

Allerdings fordern Grüne und Linkspartei anders als der Koalitionspartner SPD weiterhin einen Umbau des Stadions. Das erklärten sie bei einer Sitzung des Sportausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus Ende Februar. Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) sagte etwa, die Erhaltung der Haupttribüne und Flutlichtmasten müssten Priorität haben. Außerdem fehle der Nachweis, dass sich die künftige Nutzung des Sportparks mit der Verkehrsanbindung verträgt.

Zahlreiche Experten hätten zudem inzwischen bescheinigt, dass ein barrierefreier Umbau des Großen Stadions möglich sei, so die Initiative Jahn-Sportpark – „nicht zuletzt der berühmte Architekt Jean-Philippe Vassal. Auch der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten und die Berliner Architektenkammer haben sich für einen Umbau und gegen einen Abriss des Stadions ausgesprochen.“

Ein Neubau sei zudem Geldverschwendung. „Die Berliner Bezirke sollen 78 Millionen Euro einsparen, die Finanzmittel der Schulen wurden drastisch gekürzt, eine humanitäre Katastrophe rollt auf uns zu – und gleichzeitig soll für über 100 Millionen Euro ein Stadion mit 20.000 Sitzplätzen abgerissen und anschließend an derselben Stelle und in gleicher Größe neu gebaut werden?“ Das sei weder ökonomisch noch dem sozialen Zusammenhalt zuträglich: „Kinder, Jugendliche, Umwelt- und Sozialbelange bleiben auf der Strecke für ein aus der Zeit gefallenes Prestigeprojekt.“

Dagegen verwehrt sich die Stadtentwicklungsverwaltung. „Das oberste Ziel ist ein inklusiver Sportpark mit einem inklusiven Stadion“, erklärte die Sprecherin. Hierbei gelte, es die unterschiedlichen Bedarfe zu berücksichtigen – darunter Vereins- und Breitensport, Freizeitsport, Nutzung der Freiflächen für informellen Sport, Raumbedarf und Inklusion im Stadion, Anforderungen der Inklusion im Sportpark, Klimaschutz, Schall- und Emissionsschutz. „Anstatt das Eine gegen das Andere auszuspielen, ist es unsere Aufgabe, die unterschiedlichen Nutzungen und Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Auf dieser Grundlage werden wir jetzt den Realisierungswettbewerb starten.“

  • Und noch mehr Kiezsport: Auf unserem Twitter-Kanal finden Sie regelmäßig aktuelle Nachrichten aus dem Sport der Berliner Bezirke: @TspLeuteSport