Kiezgespräch

Veröffentlicht am 26.04.2018 von Christian Hönicke

Ist die Schönhauser sicher genug für Erstklässler? Jedes Jahr dasselbe: Wenn die Anmeldungen für Erstklässler anstehen, geraten Pankower Eltern ins Schwitzen. Vor Kurzem fehlten im Bezirk auf dem Papier knapp 700 Plätze. Sechs Schulen konnten nicht alle Kinder aus dem Einzugsgebiet unterbringen, so Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU). Betroffen sind die Grundschule an der Marie und die Thomas-Mann-Grundschule in Prenzlauer Berg, die Arnold-Zweig-Schule in Pankow, die Wasserturm-Schule in Heinersdorf und in Weißensee die Picasso-Schule und die Schule am Hamburger Platz. Um das Problem zu lösen, werden einerseits Klassen mit bis zu 28 Kinder gebildet. Aktuell seien formal noch einige Dutzend Kinder ohne Schulplatz, aber „wir kriegen das hin“, betont Kühne noch vergangene Woche.

Die wirksamste und umstrittenste Maßnahme in Pankow ist dabei, die Einzugsgebiete neu zuzuschneiden. Dabei werden die Kinder im sogenannten „Umlenkungsverfahren“ einer anderen Schule zugewiesen, die innerhalb des rechtlich zulässigen Radius von einem Kilometer zum Wohnort liegt.

Allerdings sind weitaus nicht alle Eltern froh darüber, dadurch überhaupt einen Platz für ihr Kind zu bekommen. Viele echauffieren sich über die Intransparenz des Umlenkungsverfahrens. Sie mussten sich an ihrer Einzugsgebietsschule regulär anmelden und wurden dann unvermittelt einer anderen Grundschule zugeteilt, ohne dass die genauen Gründe für die Auswahl ersichtlich wurden. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass sich die Umverteilung jedes Jahr ändert. Im westlichen Bereich der Stargarder Straße in Prenzlauer Berg wurden Erstklässler im vergangenen Jahr beispielsweise von der Thomas-Mann- auf die Carl-Humann-Schule umgelenkt. Ihre Nachbarn, Freunde und im Zweifel sogar Geschwister aus dem gleichen Gebiet bekamen nun Post vom Bezirksamt: Sie sollen an die Grundschule am Falkplatz. Das größte Hindernis dabei: die Schönhauser Allee. Denn dazu müssen die Kleinen die tosende Hauptverkehrsader überqueren. Das zeigt, wie groß die Schulplatznot im Bezirk ist. Selbst hochrangige Mitglieder des Bezirksamts sprechen unter der Hand von einem „Extremfall“.

Erboste Eltern beschwerten sich daraufhin per Briefen und Anrufen beim Bezirksamt. Zwar liegt die Grundschule am Falkplatz innerhalb der zulässigen Entfernung von einem Kilometer für Erstklässler, dennoch halten die Eltern das nicht für einen „altersangemessenen Schulweg“. Sie verweisen auf die aktuelle Verkehrsunfallstatistik des Polizeipräsidiums, die die Bundestraße Schönhauser mit ihren Kreuzungsbereichen und Tramspuren zu den Unfallschwerpunkten in Berlin zählt. Für Erstklässler besonders problematisch sei auch die extrem kurze Grünphase der Fußgängerampel an der Gleim-/Stargarder Straße, die nicht einmal ausreiche, um zu Stoßzeiten den Mittelstreifen zu erreichen, bevor wieder Rot ist. Außerdem wiesen die Eltern auf die wachsende Trinkerszene unter dem Bahnviadukt, die immer wieder zu Polizeieinsätzen führe.

Am Dienstag nun die unerwartete Kehrtwende. Alle Erstklässler aus dem Einzugsgebiet sollen nun doch an die Thomas-Mann-Schule kommen. Ist der Bezirk eingeknickt? Die Schule könne „wider Erwarten alle Erstklässlerinnen und Erstklässler aus dem eigenen Einschulungsbereich aufnehmen“, so Stadtrat Kühne. Gründe hierfür seien Wechsel in Privat- und Wunschschulen oder Wegzüge sowie eine Überprüfung der Klassenstärken. Kühne: „Zum heutigen Zeitpunkt kann die Schule die Anmeldezahlen decken.“ Entsprechende Elternanschreiben sollen Ende April/Anfang Mai erfolgen.

Das wird die Eltern freuen, dennoch ist das Thema für künftige Jahrgänge nicht grundsätzlich vom Tisch. Die Frage, ob die Querung der Schönhauser generell überhaupt den Anforderungen an einen sicheren Schulweg entspricht, wollte Kühne lieber vertagen. Grundsätzlich versuche man bei den Umlenkungsverfahren, große Verkehrsachsen nicht zu überschreiten. Aber auch in Alt-Blankenburg oder an der Greifswalder Straße sei das eben derzeit nicht immer zu vermeiden. „Sollte es doch notwendig werden, dass die Kinder die Schönhauser Allee queren müssten, dann würden wir uns sicher nochmal intensiv mit dem Thema in der AG Schulwegsicherheit im Bezirksamt auseinandersetzen“, so Kühne. „Und dann auch zum Beispiel über Ampelphasen mit der Verkehrslenkung Berlin (VLB) sprechen, die dafür zuständig ist.“