Kiezgespräch

Veröffentlicht am 03.05.2018 von Christian Hönicke

In der vergangenen Woche hatten wir im Newsletter das Interview mit Rosemarie Pumb, die sich mit der dunklen Vergangenheit des Klinik-Standorts Buch beschäftigt. Sie thematisierte unter anderem zweifelhafte Ehrungen in Buch für den Arzt Robert Rössle. Die Straße zum Wissenschaftscampus trägt seinen Namen, zahlreiche Schilder weisen immer noch den Weg zur Robert-Rössle-Klinik (obwohl sie seit 2009 nicht mehr so heißt). Ein großer Bronzekopf vor der Klinik erinnert an ihn. Diese Ehrungen will die Ärztin Ute Linz zurücknehmen lassen. Sie kämpft seit drei Jahren dafür, den Namen Rössle aus Buch zu tilgen.

Der umstrittene Pathologe habe sich nach dem Krieg als Nazi-Gegner stilisiert, so Linz, tatsächlich aber die (Zwangs-)Sterilisierung und die Tötung „Lebensunwerter“ gerechtfertigt. Seine Vorstellungen hätten ganz denen der nationalsozialistischen Rassenhygiene entsprochen. „Es verwundert daher nicht, dass Prof. Rössle Mit-Herausgeber der ,Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre‘ wurde“, so Linz. „Sie war das wissenschaftliche Sprachrohr der NS-Rassenlehre.“ Das Wirken Rössles während der NS-Zeit „würde nach aktuellem Forschungsstand eine solche Ehrung seines Namens nicht mehr zulassen“, heißt es in der Ausstellung „Wissenschaft in Verantwortung“ im Campus Charité Mitte über Rössle.

Bis heute firmieren trotzdem unter anderem das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie unter der Adresse Robert-Rössle-Straße 10. Linz erklärte, sie habe mehrfach Mails mit der Aufforderung eine Umbenennung an das Bezirksamt geschickt, Stadtrat Torsten Kühne (CDU) habe den Sachverhalt schon 2015 „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“. Trotz eines Treffens mit dem Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) und einer Eingabe an die Pankower BVV zur Umbenennung sei aber bisher nichts geschehen.

Zuständig für die Umbenennung von Straßen ist das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) unter der Leitung von Baustadtrat Vollrad Kuhn (B’90/Grüne). Kuhn teilte auf Anfrage mit, im SGA läge bisher kein Antrag auf Umbenennung der Robert-Rössle-Straße vor. Um ein Verfahren zur Umbenennung einzuleiten, „müsste an das SGA oder auch direkt an mich oder das Bezirksamt ein entsprechender Antrag gestellt werden“. Nur dann könne die formelle Prüfung des Vorschlags erfolgen. „Ich weise aber darauf hin, dass eine Umbenennung für die Anlieger teilweise einen erheblichen Aufwand  – auch finanziell – bedeutet.“ Offenbar gilt auch für Straßennamen: Moral muss man sich leisten können.