Kiezgespräch

Veröffentlicht am 06.12.2018 von Christian Hönicke

„Berlins Radwege sind mir zu gefährlich.“ Er ist einer der renommiertesten Stadtplaner Europas: Martin Aarts war jahrelang Chef der Stadtentwicklung in Rotterdam und trieb die Wandlung der schmuddeligen Hafenstadt zur Metropole von Weltrang voran. Im Tagesspiegel-Interview forderte er vor kurzem dringend eine stadtplanerische Vision für Berlin und warnte die Stadt andernfalls vor dem Abstieg.

Seit September lebt Aarts am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg. Wir veröffentlichen an dieser Stelle seine Beobachtungen und Analysen. Diese Woche: Radfahren.

„In Berlin fahre ich nur ungern Rad. Und das sage ich als Holländer! Ich kann prinzipiell überall Fahrrad fahren. Aber ich habe schnell gemerkt, wie gefährlich das hier ist. Einerseits wegen der aggressiven Berliner Autofahrer, andererseits wegen der schlechten Radwege.

In Berlin könnten viel mehr Leute Rad fahren, wenn die Wege besser wären. Die letzten zehn, 15 Jahre ist in den meisten europäischen Städten ganz viel in Radwege investiert worden. Hier wahrscheinlich auch, aber man sieht es nicht. Was ich sehe: Berlin hinkt der Entwicklung mindestens zehn Jahre hinterher.

Viele neue Radwege in Berlin sind eigentlich gar keine. Sie sind nur Striche auf der Straße, auf denen ständig Autos parken. Wichtig ist für Radwege aber gerade, dass die Autos eben nicht dort parken können. Nicht nur dürfen, das sowieso – sie sollten es schlicht nicht können. Radwege müssen deshalb zumindest mit Pollern von den Autos getrennt werden. Solange das nicht so ist, wird Radfahren gefährlich bleiben.

Ich habe mich deshalb zuletzt dagegen entschieden, mit dem Fahrrad über die Kastanienallee zum Goethe-Institut zu fahren. Ich hatte Angst davor, ich fand das zu riskant. Dieser aufgemalte Radstreifen zwischen den Tramschienen ist eigentlich unverantwortlich und wahnsinnig gefährlich. Und zwar nicht nur theoretisch: Da ist ja auch vor kurzem jemand in der Schiene hängen geblieben und gestorben.

Ein positives Beispiel ist der Radweg in der Gneisenaustraße, wo ich früher mal gewohnt habe. Der ist mit Bäumen vom Gehweg getrennt und durch den Bordstein von der Straße. So sind Radfahrer ziemlich sicher, das ist das holländische Profil.

Ein großes Berliner Problem ist, dass es in vielen Vierteln, auch bei mir am Helmholtzplatz, noch Kopfsteinpflaster gibt. Das ist schrecklich für Fahrräder. Die Leute fahren deswegen auf dem Gehweg, das würde ich vermutlich auch machen. Aber ich sehe, dass die Fußgänger das nicht immer toll finden. Es muss in diesen Vierteln sichere Radwege neben den Gehwegen geben.

Um diese Viertel radfreundlich zu machen, braucht man einen Ideenwettbewerb. In den Niederländern ist das ein Job für Landschaftsarchitekten. Eine Idee wäre sicher, zum Beispiel eine Hälfte der Straße für Radwege zu asphaltieren.

Dafür könnte man etwas weniger Platz für Autos bereitstellen. Ich habe das Gefühl, in meinem Viertel am Helmholtzplatz stehen die sowieso nur rum, Tag und Nacht, und werden gar nicht gebraucht. Außer, wenn man in Urlaub fährt.“