Kiezgespräch
Veröffentlicht am 29.10.2020 von Christian Hönicke
Pankow sagt Tschüss zu Tegel. Berlin und Deutschland machen Montag zu – der BER einen Tag vorher auf. Es ist schon paradox, dass der Flughafen nach ewig und drei Tagen Bauzeit ausgerechnet zum Teil-Lockdown eröffnet wird. Für die Pankower kehrt damit aber nicht schlagartig Ruhe am Himmel ein. Denn in Tegel läuft der Betrieb noch eine Woche weiter, weil die Airlines nach und nach umziehen.
Übernächsten Sonntag wird es dann aber wirklich ein letztes Mal laut über Pankow. Am 8. November fliegt um 15 Uhr ein Airbus der Air France nach Paris – es ist die letzte Maschine vom Flughafen Tegel. Zu diesem Anlass wollten sich die Lärmgeplagten der Einflugschneise auf dem Pankower Dorfanger in der Breiten Straße für ein Abschiedsfest versammeln. Organisiert wird es von der Bürgerinitiative „Pankow sagt Nein zum Flughafen TXL“, die seit Jahren gegen den Fluglärm mobil gemacht hat. „Dies wird (hoffentlich) die letzte Aktion unserer Bürgerinitiative sein“, teilten Berend Hendriks und Gunda Ukena von der Initiative mit. Der Plan bislang: „Wir treffen uns am Sonntag zwischen 14 und 15.30 mit unseren Bannern und wollen feiern.“
Dabei sein sollen alle Bewohner der vom Fluglärm betroffenen Gebiete in Berlin, aber auch befreundete Initiativen wie vom neuen Großflughafen BER und auch der BUND Berlin. „Wir werden dabei die Hygienemaßnahmen einhalten“, so Berend.
Auch Pankows Rathaus-Chef begrüßt das Tegel-Aus. Es breche nun „eine neue Zeit an, eine Zeit, die acht Jahre überfällig ist, eine Zeit ohne Fluglärm und Kerosin in der Luft“, erklärt Bürgermeister Sören Benn (Linke). „Eine bessere Zeit für Pankow.“ Der Anachronismus des Mauerstadtflughafens finde nun sein legitimes Ende. „Ich will aber nicht nachtreten und in Jubel ausbrechen“, so Benn. „Genugtuung reicht.“ Vielen sei Tegel auch ans Herz gewachsen, als Tor West-Berlins zur Welt, der Airport „hat ein Ende in Würde verdient. Daher: Mach’s gut, Flughafen Tegel. Wir freuen uns auf den Zukunftsort Tegel mit Wohnen, Wissenschaft und Produktion.“
Die Bürgerinitiative „Pankow sagt Nein“ sieht das ähnlich. „TXL nachzuhängen ist aus romantischen Gründen verständlich, aber irgendwann kommt die Zeit für das Museum“, sagt Berend Hendriks. Ein innerstädtischer Flughafen sei „schlicht nicht mehr zeitgemäß“. Nun werde das Leben in Pankow deutlich angenehmer: „Schulen können wieder lüften, ohne den Unterricht unterbrechen zu müssen, weil keiner den anderen versteht. Die Bewohner in den Parks und Gärten und auf den Balkonen müssen im Freien nicht mehr alle zwei Minuten ihre Gespräche unterbrechen. Es gibt keine schlaflosen Nächte mehr durch Fluglärm.“
Bei allem Jubel über die Pankower Himmelsruhe fühlt die Bürgerinitiative aber auch mit den Anwohnern des neuen Großflughafens BER. „Wir fordern auch für den BER und an allen weiteren deutschen Flughäfen eine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr“, so Hendriks, „außerdem die Vermeidung von Kurzstrecken- und Inlandsflügen und die Besteuerung von Flugbenzin.“ Auch die Ausbaupläne für den BER müssten gestoppt werden: „Wer Klimaschutz wirklich ernst nimmt, kann nicht auf das ewige Wachstum im Flugverkehr bauen.“ – Text: Christian Hönicke
Dieser Beitrag stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Pankow. Die Newsletter für alle 12 Berliner Bezirke gibt es kostenlos und in voller Länge hier: leute.tagesspiegel.de
Hier die Themen aus dem aktuellen Pankow-Newsletter:
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- Wie geht’s von Pankow zum BER?
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