Kiezgespräch

Veröffentlicht am 19.11.2020 von Christian Hönicke

Konflikt um Nachverdichtung am Schlosspark Schönhausen eskaliert. Die Lage in der Gesobau-Wohnsiedlung am Schlosspark Schönhausen spitzt sich zu. Ins Zentrum rückt nun das Bezirksamt – Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) muss knifflige Fragen klären: Dürfen die Bezirksverordneten ein Bauprojekt verhindern, das der Senat veranlasst hat? Und schlägt ein Bebauungsplan einen Bauantrag? Eile ist geboten, denn die Gesobau drückt nun aufs Tempo.

Zur Erinnerung: In zwei Nachkriegswohnsiedlungen nahe Pankow-Kirche will die landeseigene Gesobau bislang grüne Innenhöfe samt Spielplätzen bebauen. Einmal in der Anlage am Stiftsweg, und dann im Karree zwischen Am Schlosspark, Kavalierstraße, Wolfshagener Straße und Ossietzkystraße. Dort sind nach aktuellem Stand etwa 100 Wohnungen geplant. Den politischen Auftrag dazu bekam die Gesobau vom Senat – die Nachverdichtung ist im „Stadtentwicklungsplan 2030“ vorgesehen. Dagegen laufen die Anwohner Sturm, sie haben die Initiative „Grüner Kiez Pankow“ gegründet. [Der Text stammt aus dem aktuellen Pankow-Newsletter. Den können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Und nun haben sie Rückendeckung von der Bezirkspolitik bekommen. Die Bezirksverordnetenversammlung hat wie berichtet beschlossen, einen Bebauungsplan für das gesamte Viertel aufzustellen – nicht zuletzt, um die geplante Nachverdichtung zu verhindern. Am 11. November schob die BVV einen „Dringlichkeitsbeschluss“ hinterher, der eine Aussetzung der weiteren Planungs- und Vorbauplanungsaktivitäten durch die Gesobau fordert. Eine lokalpolitische Vollbremsung in letzter Minute.

Doch die Gesobau wertet das nicht als Stopp-Signal. Sie drückt im Gegenteil mächtig aufs Gaspedal. „Ob und in welchem Umfang der durch die BVV Pankow geplante B-Plan eine Bebauung verhindern soll, können wir nicht beurteilen“, sagt Gesobau-Sprecherin Birte Jessen. Klar ist: Kurz nach dem BVV-Beschluss reichte die Gesobau den eigentlich erst im Frühjahr 2021 geplanten Bauantrag beim Bezirksamt ein, obwohl auch das Beteiligungsverfahren mit den Anwohnern noch läuft. Den Eingang des Bauantrags bestätigt der zuständige Bezirksstadtrat Kuhn.

Die Anwohner und auch BVV werten das als klaren Affront. Die Gesobau weist das zurück. Das Bezirksamt prüfe derzeit ja lediglich, ob überhaupt ein „Planerfordernis“ für den B-Plan vorliege. Das ist planungsrechtlich nötig – ein solches Erfordernis wäre etwa die Erhaltung und Ausbau der sozialen Infrastruktur. „Über die Aufstellung eines B-Plan gibt es noch keinen Beschluss“, so Gesobau-Sprecherin Jessen.

Und so steckt Stadtrat Kuhn nun in der Zwickmühle: Muss sein Amt den Bauantrag positiv bescheiden? Oder hat das Bebauungsplanverfahren Vorrang – schließlich ist der BVV-Beschluss ja vorher gefällt worden? Es sei „bislang noch keine Entscheidungen getroffen worden, zumal der Bauantrag erst kürzlich eingereicht und die detaillierte Bearbeitung noch nicht begonnen wurde“, sagt Kuhn. „Wir werden alle Optionen inklusive der Rechtslage umfassend prüfen.“

Einen ähnlichen Fall hat das Bezirksamt vor wenigen Monaten schon einmal gehabt: am Thälmannpark, genauer gesagt am Güterbahnhof Greifswalder Straße. Dort wies der Bezirk einen Bauantrag des Investors Christian Gérôme ab – und nutzte dazu einen eilends gefassten BVV-Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans.

Die Gesobau will ein solches Szenario verhindern. Laut Ulrich Weller von der Bürgerinitiative „Grüner Kiez Pankow“ stellte sie am 13. November zusammen mit dem Bauantrag bereits eine Fällgenehmigung für die Bäume im Innenhof der Kavalierstraße. Noch am selben Tag sei das Umweltamt vor Ort erschienen und habe die zu fällenden Bäume markiert. Damit verstoße die Gesobau gegen mit dem neuen Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) getroffene Absprachen, während der Beteiligungsgespräche mit den Anwohnern keine Aktivitäten zu unternehmen, so Weller. Er wirft der Gesobau „in höchsten Maße eine Unterwanderung des demokratischen Systems“ vor.

Für die Gesobau ist das Beteiligungsverfahren mit den Anwohnern jedoch schon seit Juni abgeschlossen – aktuell würden auf Vermittlung der BVV nur noch „Verständigungsgespräche“ stattfinden. Die Ergebnisse das Partizipationsverfahrens „bildeten für uns die verbindlichen Grundlagen für unsere Planung des Bauvorhabens“, sagt Sprecherin Birte Jessen. Aufgrund der sehr guten Arbeit des Planungsbüros „konnten wir die Planung früher als geplant finalisieren und einen Bauantrag stellen“. Mit dem Bau- sei dann auch der Fällantrag gestellt worden: „Für die Bebauung ist die Fällung einiger Bäume unerlässlich.“

Der für Baumfällgenehmigungen zuständige Umweltstadtrat Daniel Krüger (für AfD) teilte der Initiative schriftlich mit, „dass das Umwelt- und Naturschutzamt nicht ohne Absprache mit dem Stadtentwicklungsamt in dieser Angelegenheit tätig werden wird bzw. Genehmigungen erteilt“. Damit landet die Angelegenheit wieder auf dem Tisch von Baustadtrat Kuhn. Und er sagt zu, vorerst keine Rodung abnicken zu wollen. Da die rechtliche Prüfung noch Zeit brauchen werde, „habe ich hinsichtlich der Bäume, die auf dem Areal stehen, das Umwelt- und Naturschutzamt gebeten, eventuell bereits beantragte Fällgenehmigungen erst einmal auszusetzen, um zu verhindern, dass diesbezüglich vorzeitig vollendete Tatsachen geschaffen werden“.

Die Bäume bleiben also erst einmal stehen. Der Zeitplan der Gesobau aber ebenfalls. „Wir bereiten gerade auf Grundlage des gestellten Bauantrages die Ausschreibung der Bauleistungen vor“, sagt Birte Jessen. „Der Baubeginn ist aktuell im Herbst 2021 geplant.“ Vorher soll allen Bewohnern des Quartiers der „finale Stand im Kontext des Partizipationsverfahrens“ vorgestellt werden. – Text: Christian Hönicke

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