Kiezgespräch

Veröffentlicht am 22.09.2022 von Christian Hönicke

„Das ist der letzte Versuch“: Arkenberge-Eigentümer modifiziert Freizeitpark-Konzept – und droht Bezirk andernfalls mit Abriegelung. Das Ringen um Berlins höchsten Gipfel geht in die entscheidende Phase. Die Rede ist von der ehemaligen Mülldeponie Arkenberge, die inzwischen auf 121,9 Meter in die Höhe gewachsen ist. Das Bezirksamt hat nun ein neues „Leitbild Arkenberge“ erarbeitet. Es sieht vor, dass rund um die Erhebung ein „naturnaher Erholungsraum“ für die Bevölkerung entstehe soll.

Verärgert darüber zeigte sich der Eigentümer des Geländes. „Man beschließt ein Leitbild und präsentiert es öffentlich, ohne dem Eigentümer einmal Bescheid zu geben“, so Ralph Hartmann von der Heim-Gruppe auf Tagesspiegel-Nachfrage. Er stellt dem Bezirk Pankow ein Ultimatum, Grünes Licht für den von ihm geplanten „Freizeit- und Naturerlebnispark“  zu geben. Andernfalls wolle man die öffentliche Nutzung des Geländes Arkenberge ganz aufgeben und daraus einen Standort für regenerative Energien entwickeln.

Bereits 2018 stellte die Heim-Gruppe einen Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplans für einen „Freizeit- und Naturerlebnispark“. Rund um den künstlichen Müllberg wollte sie eine Matten-Ski-Halle, ein großes Bungalowdorf, ein Strandbad, eine Sommerrodelbahn und eine Panorama-Aussichtsanlage auf dem Gipfel samt Gastronomie für Hochzeiten, Events und Kongresse errichten. Das alles sollte täglich bis zu 1500 Besucher anlocken. Die Pläne wurden Anfang 2019 in der Pankower BVV vorgestellt, konnten dort jedoch keine Mehrheit finden.

Schließlich senkte auch das Bezirksamt den Daumen. Das Konzept sei mit dem Bezirk nicht abgestimmt gewesen, erklärt die zuständige Stadträtin Rona Tietje (SPD). „Mit einer umfangreichen Begründung und Hinweisen erging der ablehnende Bescheid.“ Danach sei „der Diskussionsprozess leider etwas ins Stocken geraten“, berichtet Tietje. Dabei habe der Bezirk durchaus Interesse an einer Entwicklung Arkenberges zu einem Naherholungsgebiet.

Deshalb legt Pankow nun das „Leitbild Arkenberge“ vor. „Die Zielstellung besteht in der gemeinsamen Entwicklung einer zukunftsfähigen und tragfähigen Lösung für das ehemalige Deponiegelände Arkenberge und die vorgelagerten Seen“, sagt Tietje. Man sei vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt mit ihren Freiraumbedarfen und der derzeit illegalen Nutzung des Geländes durch Anwohner „grundsätzlich aufgeschlossen für die Entwicklungsabsichten des Vorhabenträgers“.

Die größte Kritik an den ursprünglichen Plänen der Heim-Gruppe war, eine wenig nachhaltige Touristen-Attraktion schaffen zu wollen. Im neuen Leitbild gehe es nun darum zu definieren, „in welchem Rahmen in Arkenberge eine Entwicklung möglich ist und wo auch Grenzen sind“, sagt die Stadträtin. Der Bezirk betont darin klar die Bedeutung als Erholungsort für die Berliner Bevölkerung und den Erhalt der Natur.

Das ehemalige Deponiegelände genieße eine hohe Beliebtheit in der Öffentlichkeit, begründet das Bezirksamt seine Vorgaben. Da aber ein Ankauf durch das Land Berlin ausgeschlossen werden könne, lasse sich das Areal „nur mit der Mitwirkungsbereitschaft des Vorhabenträgers“ zum Naherholungsgebiet entwickeln.

Dafür solle nun das Leitbild die Richtung vorgeben. Einer der wichtigsten Punkte darin lautet: „Bei dem Projektgebiet handelt es sich aus Biotop- und Artenschutzsicht um einen besonders sensiblen Raum. Die dort vorkommenden geschützten Biotope und Arten stellen eine besondere Qualität dar und begründen auch die Attraktivität/Anziehungskraft für Erholungssuchende mit. Ein Entwicklungskonzept sollte daher den Erhalt und die Aufwertung der schützenswerten Habitate sowie die Stärkung des Biotopverbundes sicherstellen.“

Das Nutzungsspektrum soll den vom Bezirk gewünschten „naturnahen Erholungscharakter“ nicht einschränken, „sondern eine verträgliche Ergänzung zu den vorhandenen naturräumlichen/landschaftlichen Qualitäten darstellen“. Die beabsichtigten Nutzungen sollten zudem mit dem Flächennutzungsplan vereinbar sein. Dieser weist das Gebiet als Grünfläche mit den Symbolen Parkanlage und ungedeckte Sportanlage sowie Wasserflächen au – und eine Änderung des FNP könne „nicht in Aussicht gestellt werden“, so Tietje.

Kritisch steht der Bezirk weiterhin einer Bebauung des Deponiebergs gegenüber. Ob das statthaft sei, könne „aufgrund der Komplexität des Themas (…) so auf die Schnelle leider nicht beantwortet werden“, sagt Tietje. „Das hinge sicher stark von Art und Ausmaß der Bebauung ab.“

Die Behörden fürchten bei einer Bebauung der Müllkippe den Austritt von Schadstoffen. Die geplante Skisprunghalle und das Kongresszentrum am Berg erscheinen vor diesem Hintergrund kaum realisierbar.

Die Natur soll also im Vordergrund stehen – schließlich treffen hier der Naturpark Barnim und Landschaftsschutzgebiet Blankenfelde aufeinander. „Unnötige Emissionen“ sollen zudem vermieden werden. Unvermeidbare Emissionen sollen „der angestrebten Erholungsfunktion, als auch dem Standort mit seinen Schutzgütern (Flora/Fauna etc.), gerecht“ werden.

Allerdings macht der Bezirk auch Konzessionen. Baden soll künftig erlaubt sein. Auf dem Areal befinden sich zwei Gewässer: der Kiessee und der Biotopsee Arkenberge. Derzeit ist das Baden in beiden verboten. Der Kiessee soll jedoch perspektivisch zu einem „naturnahen Badegewässer“ entwickelt werden. Die Heim-Gruppe plant hier ein Strandbad mit Restaurant und Strandbar. Zudem sei der Ausbau der Straße nach Arkenberge zur Erschließung für den Autoverkehr möglich.

Durch diese Leitlinien entstehe ein „Entwicklungskorridor“ mit konkreten Vorgaben, so Tietje. „Die Leitlinien und Vorgaben wurden dem Vorhabenträger bereits vorgestellt.“ Dieser dürfe dazu nun „Hinweise“ geben, die „im Sinne einer kooperativen Projektentwicklung in den weiteren Arbeitsprozess einfließen“. Die Stadträtin macht aber auch klar, dass sich der Bezirk am liebsten ein komplett neues Konzept wünscht.

In der Tat arbeitet die Heim-Gruppe derzeit auch an einer Anpassung des Konzeptes. Die Skisprunghalle sei dabei derzeit „auf Pause“ gesetzt, sagt Ralph Hartmann. Insgesamt solle die Bebauung auf dem Areal reduziert werden, auch ein Kongresszentrum ist nicht mehr geplant. „Wir wollen aber weiter ein Gipfelhaus mit Gastronomie und Panoramaterrasse“, sagt Hartmann. Auch das Bungalowdorf am Hang sowie Restaurant und Bar am See seien geplant. Hartmann: „Wir brauchen solche Nutzungen, damit sich das Konzept wirtschaftlich lohnt.“ Diese sollen die anderen öffentlichen Nutzungen querfinanzieren, etwa Umweltbildung für Schulklassen.

Die Sommerrodelbahn und eine Mountainbike-Strecke sollen nun am kleineren Nordberg entstehen. „Dann haben wir einen konzentrierten Hang für die sportliche Nutzung und andernorts mehr Ruhe“, sagt Hartmann.

Das überarbeitete Konzept will der Investor dem Bezirk noch in diesem Jahr vorlegen. „Das ist ein letztes Aufbäumen, ein letzter Versuch“, sagt Hartmann. „Wir mussten das Konzept immer wieder verändern, weil dem Bezirk nichts gefällt.“ Es sei schon sehr viel Geld in die Planung geflossen: „Wenn dieser Versuch nicht klappt, dann wird das Projekt sterben. Dann sagen wir: Alles klar, vielen Dank, Pankow.“

Die Geduld des Eigentümers sei „nach sechs Jahren und hunderten Besprechungen endlich“, kritisiert Harmann. „Wir bewegen uns auf einen Punkt zu, der nicht mehr in Ordnung ist.“ Inzwischen würden bereits Menschen illegal auf dem Areal leben, weil der Bezirk untätig bleibe. „Das ist nicht mehr weiter so erträglich“, sagt Hartmann. Wenn der Bezirk an einer öffentlichen Parkanlage interessiert sei, müsse er sich bewegen.

Sollte auch dieses Konzept abgelehnt werden, ist laut Hartmann ein Standort für erneuerbare Energien möglich – etwa für Photovoltaik oder Windkraft. „Dann wird die Anlage gesichert und abgeriegelt“, sagt Hartmann. „Die Öffentlichkeit müsste dann draußen bleiben – das betrifft dann das gesamte Privatgelände inklusive See und Berg.“