Kiezgespräch
Veröffentlicht am 12.01.2023 von Christian Hönicke
Zu schmal geplant: Umbau der Kastanienallee droht zu scheitern. Der umstrittene Ausbau der östlichen Kastanienallee in Rosenthal für den Schwerlastverkehr könnte auf den letzten Metern scheitern. Kurz vor dem Start des zweiten Bauabschnitts in diesem Jahr räumte die zuständige Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) in einer Mail an eine Anwohnerinitiative ein, „dass derzeit keine hinreichende Verkehrslösung für die Planung der Kastanienallee in Aussicht gestellt werden kann“. Bezirk und Senat klären derzeit insbesondere, ob der geplante Radstreifen den rechtlichen Anforderungen entspricht.
Der Abschnitt zwischen Haupt- und Friedrich-Engels-Straße wurde bereits umgestaltet, um insbesondere dem Schwerlastverkehr der benachbarten Industriegebiete zu dienen. Aktuell fahren bereits mehr als 400 Lkw pro Tag durch die Allee – künftig sollen es noch viel mehr werden. Um Platz dafür und auch einen Radstreifen zu schaffen, sollen unter anderem 100 der namensgebenden Kastanien am Straßenrand gefällt werden.
In diesem Jahr soll nun der östliche Teil der Kastanienallee zwischen Friedrich-Engels- und Dietzgenstraße um- und ausgebaut werden. Dagegen begehren die Anwohner seit Jahren auf. „Es geht uns nicht nur um die Verhinderung der Ausbauplanung“, sagt Magdalena Villanyi von der Bürgerinitiative Kastanienallee. „Es geht darum, dass der Status Quo, die rechts- und regelwidrige Nutzung einer in weiten Teilen einspurigen, schmalen Wohnstraße für Schwerlastverkehr rund um die Uhr, nicht länger akzeptabel ist.“
So unterschreite aktuelle Fahrbahnbreite das geforderte Mindestmaß für Straßen mit beidseitigem Bus- oder Lkw- Verkehr. Diese müsse mindestens sieben Meter betragen, 5,50 Meter bei verminderter Geschwindigkeit. Das Pankower Straßen- und Grünflächenamt dagegen hält die geplanten „ca. 4,0 Meter nutzbare Fahrbahn“ für „gemäß StVO ausreichend“. Das sei „schlicht und ergreifend falsch“, entgegnet Villanyi. Und selbst diese 4 Meter würden stellenweise nicht erreicht.
„Zwischen der Eschenallee und der Schönhauser Straße fährt der Schwerlastverkehr in beide Richtungen auf einem 3,85 Meter breiten Fahrstreifen, zusammen mit den Kindern, die ihre Grundschule auf der Kastanienallee erreichen müssen“, sagt Villanyi. „Dies bedeutet Lebensgefahr für die Schüler. Daher muss die Kastanienallee aus dem übergeordneten Straßennetz herausgenommen werden.“
Auch der geplante Umbau der Straße verstoße auf etwa 800 Metern gleich in mehreren Punkten gegen geltendes Recht, kritisieren die Anwohner. So sei die Fahrbahn zu schmal geplant, und auch die künftigen Gehwege und Radstreifen würden die vorgegebenen Mindestmaße nicht einhalten. Der vorgesehene nur 1,25 Meter breite Radstreifen sei insbesondere bei Lkw- und Busverkehr rechtlich nicht zulässig.
„Die Nutzungsart und Straßenbreite bedürfen einer regelgerechten Radverkehrsanlage mit ausreichend Sicherheitsabstand zum motorisierten Verkehr“, so Villanyi. Der sei hier nicht gegeben. Außerdem seien die angekündigten Lärmschutzmaßnahmen unwirksam. Villanyi kritisiert, dass sich Senat und Bezirk die Verantwortung für die Planung gegenseitig zuschieben würden.
Besonders konfliktträchtig ist die Tatsache, dass selbst der bis jetzt geplante Ausbau der Kastanienallee nur durch Eingriff in Privateigentum möglich ist. Laut Bezirksamt müssen Flächen von Grundstückseigentümern angekauft oder diese sogar im Zweifel enteignet werden, um die Planung umzusetzen.
Insgesamt neun Flurstücke sind dafür vorgesehen – der Bezirk will die Eigentümer mit nur fünf Euro pro Quadratmeter entschädigen. So sollen etwa 18 Quadratmeter Grundstücksfläche in dieser beliebten Wohnlage nur 90 Euro wert sein. Doch selbst dieses umstrittene Vorgehen reiche nicht, entgegnet Villanyi. „Auch mit Enteignung oder Flächenankäufen ist der notwendige Querschnitt der Straße nicht gegeben.“
Inzwischen hat das offenbar auch das Pankower Bezirksamt eingesehen. Bezirksstadträtin Anders-Granitzki schrieb in einer Mail an die Initiative, dass für den zweiten Teilabschnitt der Kastanienallee zwischen Eschenallee und Dietzgenstraße „die Umsetzung des Regelquerschnitts (…) insbesondere hinsichtlich der Belange des Radverkehrs nicht möglich“ sei. Der Bezirk könne die Betrachtungen der Initiative zum nicht ausreichenden Platz „im Wesentlichen nachvollziehen“.
Für Villanyi bedeutet das einen Teilerfolg. „In der Mail wird die fehlende Machbarkeit durch die Stadträtin Frau Anders-Granitzki selbst eingeräumt“, sagt sie. „Die Planung dieses als Sanierung getarnten Ausbaus verhindert sich selbst, weil sie rechtswidrig ist.“