Nachbarschaft
Veröffentlicht am 29.03.2018 von Robert Ide
Marcel Küster, 26, ist Ver- und Entsorger auf dem Recyclinghof der Berliner Stadtreinigung in der Behmstraße 74. Er hat selbst lange in Prenzlauer Berg gewohnt – inzwischen hat es ihn in seine alte Heimat zurückgezogen, die Uckermark. Den Müll von Kiezhausen nimmt er trotzdem täglich entgegen.
Herr Küster, was schmeißen die Menschen in Prenzlauer Berg weg? Eine ganze Menge. Hierher kommen durchschnittlich 550 Kunden am Tag, gestern waren es sogar knapp 700. Ich bin ja auch für die Annahme von Schadstoffen zuständig, da ist unser Hof mit führend in Berlin. Hier landen viele Farben, Lacke, Öle – offenbar renovieren die Leute hier in der Gegend viel. Oder sie sind Künstler.
Schmerzt es Sie, dass die Anwohner so viele Sachen nicht mehr haben wollen? Mich kann nicht viel erschüttern, ich mach das seit 10 Jahren. Aber es ist schon nahezu Wahnsinn, wenn uns jemand sein fast neues Sofa vorbei bringt, weil er sich ein ganz neues anschaffen will. Einmal hat uns eine junge Frau ihre gesamten Designermöbel hingeworfen: Wohnzimmertisch, Couchgarnitur, teure Schränke. Sie sagte, sie wolle nach Thailand ziehen und brauche das alles nicht mehr. Ich habe sie gefragt, ob sie es nicht verkaufen, verschenken oder wenigstens spenden will. Denn wir dürfen die Sachen ja nicht weitergeben. Sie hat nur geantwortet: keine Zeit, keine Lust.
Sind die Kunden denn freundlich zu Ihnen? Die meisten ja. Aber auf anderen Höfen geht es teilweise etwas ruhiger zu. Hier gibt es schon manchmal einen herablassenden Ton, weil einigen Leuten der Respekt vor unserer Arbeit fehlt. Und manche können nicht damit umgehen, dass sie selbst keine Zeit haben. Die machen dann einen Aufstand, weil wir den Hof aus Sicherheitsgründen kurz schließen müssen, um einen Container auszuwechseln. Und als wir vor ein paar Tagen für höhere Löhne gestreikt haben und der Hof dicht war, haben viele ihren Sperrmüll illegal vor unserem Tor abgeladen; die halbe Straße lang, das waren bestimmt 20 Kubikmeter. Ich würde mich sowas nicht trauen.
Gibt es neue Trends beim Wegwerfen? Eher alte. Mich erstaunt, wie viele Röhrenfernseher es noch gibt. Für die Weiterverwertung sind sie wertvoll, denn da sind Spuren von Kupfer, Silber und Gold drin. Die Metalle und das Glas werden eingeschmolzen. So passiert es auch bei Kühlschränken – und aus den Plastikteilen werden dann etwa Prothesen gemacht.
Wie finden Sie eigentlich den Spruch „Ich werf mich weg“? Also, ich sage den nicht.
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-c.hoenicke@tagesspiegel.de.