Nachbarschaft

Veröffentlicht am 02.05.2019 von Gerd Nowakowski

Schluss mit dem Spielplatz-Notstand im Bezirk. Kinder sollen endlich wieder spielen können. Das jedenfalls verspricht der zuständige Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) – mit Unterstützung des Landes Berlin. Insgesamt 25 Millionen Euro bekommen die Bezirke nämlich in diesem Jahr aus dem Kita- und Spielplatzsanierungsprogramm (KSSP) der Landesregierung. Eine Spielplatzoffensive ist im kinderreichen Pankow auch dringend notwendig. In ganz Pankow gibt es laut Bezirksamt 212 Spielplätze. Etwa 160 davon sind sanierungsbedürftig, weitere 32 sind teilweise oder komplett gesperrt. Die Initiative „Ja! Spielplatz!!“ drängt seit langem darauf, dass die verrotteten Anlagen, die kaum den Namen Spielplatz verdienten, endlich saniert werden.

„Ja! Spielplatz!!“ beklagt etwa, dass im Steinbergviertel in Weißensee von vier Plätzen überhaupt nur einer über Spielgeräte verfügt. Angemeldet hat das Bezirksamt bei der Senatsverwaltung für 2019 aus Mitteln des KSSP-Programms die Sanierung von fünf Spielplätzen im Gesamtvolumen von 1,56 Millionen Euro. Betroffen sind die Spielplätze in der Schützenstraße, in der Jablonskistraße 33, der Jablonskistraße 7, in der Walter-Friedrich-Straße 39 und am Dusekeplatz, teilte Stadtrat Kuhn mit. Für weitere 480.000 Euro sollen an weiteren elf Spielplätzen neue Spielgeräte errichtet werden und kleinere bauliche Maßnahmen erfolgen. Es handelt sich um die Spielplätze Raabestraße 4-5, Mazetstraße, Cunistraße, Otto-Brahm-Straße, im Volkspark Prenzlauer Berg, Hauptstraße, im Schlosspark Schönhausen Ost, im Bürgerpark, im Auepark, im Rosenthaler Weg und in der Straße 147.

Insgesamt hat Pankow aus dem KSSP-Programm 2,04 Millionen Euro beantragt. Ob das Geld 2019 aber wirklich verbaut wird, hängt auch von der zeitgerechten Planung, einer schnellen Ausschreibung, den Lieferfristen der Spielgeräte-Hersteller und den derzeit ausgelasteten Baufirmen ab. Ist das Geld bis Jahresende nicht verbaut, kann der Bezirk es nicht aufs kommende Jahr übertragen: Die Gelder verfallen dann. Zufrieden kann die Initiative „Ja! Spielplatz!!“ trotzdem nicht sein. Die vier sanierungsbedürftigen Spielplätze im Steinbergviertel (Wigandstaler Straße, Bühningstraße, Günter-Litfin-Straße und Frieda-Seidlitz-Straße), für die sich die engagierten Eltern besonders einsetzen, stehen alle nicht auf der Investitionsliste. Nur in der Pistoriusstraße soll in diesem Jahr noch mit dem Bau eines komplett neuen Spielplatzes begonnen werden – und bis Jahresende alles fertig sein.  Diese Maßnahme im Umfang von rund 200.000 Euro wird aber nicht aus dem KSSP-Topf finanziert, sondern aus dem Bezirksetat. Die vollständige Liste der bezirklichen Maßnahmen finden Sie hier als PDF.

Wir sprachen mit Uwe Scholz über die Situation der Spielplätze im Bezirk. Er ist selbstständiger Übersetzer, hauptsächlich für technische Kommunikation, und hat eine Tochter. Er lebt seit 1994 in Pankow, anfänglich in Prenzlauer Berg, seit 2010 in Weißensee. Anfang 2018 war er Mitgründer der Initiative „Ja! Spielplatz!!“

Warum haben Sie begonnen, sich für Spielplätze zu interessieren? Ende 2017 war es in Weißensee so, dass insgesamt sechs öffentliche Kinderspielplätze seit Jahren teilweise oder vollständig mit Bauzäunen abgesperrt waren. Sehr viele Leute haben sich darüber aufgeregt, und mit unserer Initiative „Ja! Spielplatz!!“ haben wir das dann gebündelt. Ich persönlich wollte auch etwas gegen die allgemeine Resignation wegen der vielen Missstände im Ortsteil tun.

Die gute Nachricht ist, es gibt 2019 viel Geld vom Senat für die Spielplatz-Sanierung. Wird jetzt alles besser auf den Spielplätzen? Die KSSP-Mittel sind sehr hilfreich. Vor allem, weil sie flexibel und kurzfristig eingesetzt werden können. Sie sind aber kein Allheilmittel. Und sie reichen auch nicht aus.

Es gab auch in den vergangenen Jahren schon KSSP-Mittel. Warum ist im Bezirk trotzdem so wenig passiert? Nein, die real verfügbaren KSSP-Mittel waren bis 2017 nur sehr gering. Nach Angaben des Bezirksamtes braucht es 10 Millionen Euro jährlich, um innerhalb von fünf Jahren den Großteil der Spielplätze zu sanieren, wie es die BVV im Januar 2019 gefordert hat. Dem gegenüber stehen in diesem Jahr KSSP- und diverse andere externe Fördermittel in Höhe von insgesamt fünf Millionen Euro.Die eigenen Haushaltsmittel des Bezirks sind dagegen auch in der langfristigen Investitionsplanung weiterhin nur minimal.

Der Bezirk verweist beim Sanierungsstau auf den Personalmangel im Amt, fehlende Planungskapazitäten und ausgelastete Baufirmen. Niemand erwartet Wunder von der Bezirksverwaltung. Doch die Menschen wollen wissen, wo es hingeht. Aber die Stadträte und politisch Verantwortlichen haben sich in den vergangenen 15 Jahren angewöhnt, bei diesem deprimierenden Thema einfach wegzuschauen. Deswegen bin ich glücklich, dass die BVV im Januar einstimmig einen konkreten Maßnahmenplan vom Bezirksamt verlangt hat, wie bis 2025 wieder 90 Prozent der Spielplätze saniert sind.

Hat die Arbeit von „Ja! Spielplatz!!“ in der Bezirkspolitik etwas bewegt? Auf jeden Fall haben wir etwas in Bewegung gesetzt für Weißensee. Und wir waren auch die entscheidende Kraft hinter dem in der BVV beschlossenen Antrag. Wenn die Fraktionen aber da nicht dranbleiben, wird das wieder einschlafen.

Pankow hat sich mit dem Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre zu einem sehr kinderreichen Bezirk entwickelt. Wird das vom Bezirksamt und den Politikern ausreichend realisiert? Ungenügend. Die Bezirksverwaltung musste sich vor 15 Jahren, als Berlin extrem sparen musste, entscheiden zwischen Pest und Cholera – entweder Schließung von öffentlichen Einrichtungen oder Verfall des öffentlichen Raums. Man hat sich für den Verfall des öffentlichen Raums entschieden. Man hat aber zugleich versäumt, einen Masterplan aufzustellen für bessere Zeiten. In diesem Status sind wir immer noch. Derzeit besteht auch die Gefahr, dass trotz des Beschlusses der BVV der verlangte Sanierungsplan bis zu den Haushaltsverhandlungen des Bezirks nicht vorliegt und wir deswegen wieder zwei Jahre verlieren. Das ist ein klares Versäumnis der zuständigen Stadträte.

Der Bezirk muss doch froh sein, dass so viele Familien mit Kindern in Pankow wohnen. Es sind ja auch alle froh. Also im Prinzip. Dass Probleme in vielen Bereichen kommen, war seit Jahren absehbar. Das konnte jeder wissen. Aber man hat weggeschaut. Es ist ja nicht so, dass es so kompliziert ist, dass niemand weiß, was getan werden müsste. Aber es wurde und wird vieles nicht getan. Ich vermisse überzeugende politische Führung und Kommunikation der zuständigen und auch gut bezahlten Stadträte. Das Steinbergviertel ist typisch für Pankow. Seit Jahren war absehbar, dass alle Spielplätze und Geräte sanierungsbedürftig sind. Trotzdem gab und gibt es keine Pläne, zu reparieren oder zu ersetzen. Wir haben lange darauf aufmerksam gemacht, dass es sinnvoll wäre, hier KSSP-Mittel einzusetzen. Obwohl im vergangenen Dezember noch mal ein Nachschlag von 900.000 Euro kam, wurden wir im Steinbergviertel erneut nicht berücksichtigt. Erst jetzt hat der Stadtrat Kuhn bei einem Vorort-Besuch zugesagt, dass er sich dafür einsetzen will, dass 2020 hier KSSP-Mittel eingesetzt werden. Wenn er seine Zusage einhalten kann, müssen die Kinder im Steinbergviertel nur noch zwei Jahre auf neue Spielgeräte warten.

Derzeit ist es so, dass die vier vorhandenen, dringend sanierungsbedürftigen Spielplätze nicht angegangen werden, dafür aber ein neuer Spielplatz in der Pistoriusstraße gebaut wird. Es wurden letzten Sommer zwei Spielplätze komplett abgerissen, auf einem weiteren sind die Geräte seit Jahren abgebaut, und beim vierten Platz müssen die Geräte laut Aussage des Amtes in zwei Jahren abgerissen werden. Gleichzeitig haben wir dort 600 Kinder und durch die Unterkunft für Geflüchtete kommen noch weitere Kinder hinzu. Trotzdem gibt es keinen Plan, etwas zu machen – außer, einen neuen Spielplatz in der Pistoriusstraße zu bauen. Ob der eine Entlastung wird, ist zweifelhaft. Der ist ein schmales Grundstück, hinter einer Hauptverkehrsstraße außerhalb des Viertels. Ich bin nicht sicher, ob das eine gute stadtplanerische Entscheidung war. Aber einmal entschieden, kann man den Verwaltungszug nicht mehr stoppen. Positiv ist, dass eine unserer Forderungen erfüllt ist – Buddelfläche statt Bauzaun – und die abgesperrten Flächen freigegeben wurden. Außerdem aber haben wir gesagt, nehmt doch die drei Spielplätze und baut für weniger als 80.000 Euro auf jede Buddelfläche ein paar Spielgeräte – ohne Architekt, ohne lange Planung – dann habt ihr den Kindern am besten geholfen. Das aber wurde ignoriert.

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-c.hoenicke@tagesspiegel.de