Nachbarschaft
Veröffentlicht am 11.06.2020 von Christian Hönicke

Das „MACHmit! Museum“ steht vor dem Aus. Es wurde vor 27 Jahren in der ehemaligen Eliaskirche nahe dem Helmholtzplatz als erstes Kindermuseum Berlins gegründet. Heute ist es eine der bekanntesten Kinderinstitutionen der Hauptstadt. Besonders die riesige Kletter- und Labyrinth-Konstruktion und die vielen Projekte und Ausstellungen sind bei Kindern und Eltern beliebt, zumal es gerade in der Innenstadt wenige Institutionen für Kinder gibt. Doch schon bald könnte damit Schluss sein, sagt Geschäftsführerin Uta Rinklebe im Interview (siehe weiter unten).
Rinklebes Hilferuf erschien schon heute im gedruckten Tagesspiegel und hat nun auch die Politik aufgerüttelt. „Sowohl im Bereich Wirtschaftsförderung als auch im Jugendamt wird nach Möglichkeiten gesucht, dieses einzigartige Museum zu erhalten“, teilt Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) mit. Das Museum brauche „dringend finanzielle Unterstützung, um weiter bestehen zu können“, fordert auch der Vorsitzende der AG Planung des Pankower Kinder- und Jugendhilfeausschusses, Karsten Dirk Gloger (B’90/Grüne). „Ein Pankow ohne ‚MACHmit! Museum‘ darf es nicht geben.“
Auch die Senatskulturverwaltung reagierte auf Rinklebes Hilferuf. Sie zeigte sich auf Twitter „etwas irritiert“ darüber, dass der Antrag des Museums auf Soforthilfe nicht erwähnt worden sei. Man arbeite „mit Feuereifer“ daran. Dazu erklärte Rinklebe: „Wir freuen uns über die Nachricht der Kulturverwaltung. Bisher hatten wir vom Senat keinerlei Informationen darüber, ob der Antrag bewilligt wird.“
Doch selbst wenn der Antrag genehmigt würde, „holen die 85.000 Euro nicht die Kuh vom Eis“, so Rinklebe. „Der Betrag reicht nur für drei Monate, gleicht aber nicht einmal die bisherigen Verluste aus. Und wie es dann weitergeht, auch darüber haben wir bisher keine Informationen aus der Politik.“ Und hier das erwähnte Interview:
Frau Rinklebe, Ihr Museum ist trotz der Lockerungen weiter geschlossen. Muss man sich Sorgen um Sie machen? Ja. Wir stehen kurz vor der endgültigen Schließung. Wir haben seit dem Lockdown im März 110.000 Euro Verlust gemacht. Wir finanzieren uns zu 76 Prozent aus dem Eintrittsgeld, 23 Prozent sind öffentliche Zuschüsse. Wir haben inzwischen eine Spendenaktion gestartet, wir versuchen Ausstellungsstücke wie unseren Buddybären, um Geld zu bekommen.
Verzweiflungsverkäufe? Absolut, so kann man es nennen. Für uns geht es ums Überleben. Ich bin im engen Austausch mit der Leitung des Kindermuseums Labyrinth im Wedding. Die Situation dort ist genauso dramatisch. Die können ohne Förderung auch nicht aufmachen.
Aber Sie dürfen doch öffnen – warum tun Sie es nicht? Das rechnet sich nicht. Derzeit sind acht unserer 18 MitarbeiterInnen in Kurzarbeit. Wir machen minus, wenn wir die aus der Kurzarbeit zurückholen, aber wegen der Abstandsregeln höchstens 20 BesucherInnen pro Stunde einlassen dürfen. Zwar will Frau Scheeres die Schulen wieder komplett öffnen, aber für uns gilt das nicht.
Selbst wenn die Beschränkungen fielen… … ist die andere Frage, ob die Leute wirklich wiederkommen. Ja, das steht in den Sternen. Aber die Leute stehen auch vor unserer Tür, sie klopfen und fragen: Wann macht ihr wieder auf? Gerade die Eltern, die ihre Kinder jetzt im Homeoffice betreuen mussten, wollen auch mal wieder eine schöne Aktivität unternehmen. Aber ohne staatliche Unterstützung wird es uns in Kürze nicht mehr geben.
Was heißt: in Kürze? Grob gerechnet haben wir noch Geld für zwei Monate. Wir sind ohnehin finanziell angeschlagen, letzten Sommer hatten wir hier einen Blitzeinschlag. Als gemeinnützige GmbH haben wir keine Rücklagen und ein großes Haus, das weiter Kosten und Verbindlichkeiten generiert. Das Museum ist ja in der ehemaligen Eliaskirche eingebaut, wir haben einen Erbpachtvertrag mit der Kirche über 75 Jahre. Da haben wir zwar eine Pachtstundung bekommen, aber das bringt wenig. Wir brauchen Hilfe vom Senat.
Was haben Sie bisher getan, um diese Hilfe zu bekommen? Wir haben schon am 20. März die ersten Briefe geschrieben. An Bildungssenatorin Sandra Scheeres, an Kultursenator Klaus Lederer, an die Abgeordneten, an die Haushaltspolitiker, an Bezirksbürgermeister Sören Benn, ans Bezirksamt. Insgesamt haben wir das jetzt dreimal gemacht.
Wie fielen die Reaktionen aus? Zurückgekommen ist bisher wenig. Konkrete Zusagen gibt es nicht. Es gab lediglich das Signal, dass Frau Scheeres sich irgendwann mit uns befassen will. Einen Termin haben wir bisher lediglich bei Pankows Bezirksstadträtin Rona Tietje, allerdings erst am 23. Juni. Dann haben wir noch anderthalb Monate bis zur Schließung.
In Deutschland und Berlin wird derzeit viel Geld ausgegeben, um die Folgen der Pandemie abzumildern. Werden Kinder und Jugendliche dabei angemessen berücksichtigt? Da kann ich ganz klar sagen: Nein. Unser Museum ist schon seit seiner Gründung vor 27 Jahren dauerhaft in einer prekären Situation. Dabei ist es das erste Kindermuseum in Berlin, ein deutschlandweit bekanntes Flaggschiff der Kinderkultur. Es ist unfassbar, wie wir schon unter normalen Bedingungen kämpfen müssen. Wir liegen in einem Graubereich zwischen den Senatsverwaltungen für Bildung und Kultur. Dazu werden wir nicht institutionell gefördert, sondern nur projektgebunden. Mit der kulturellen Förderung für junge Kinder will sich jeder schmücken, aber finanzieren will es keiner. Immerhin kommt jetzt ein neuer Wind in die Problematik.
Wie meinen Sie das? Die Belastungen während der Pandemie haben bei vielen Kinder und Eltern das Gefühl hinterlassen, dass da mehr passieren muss. Auch ich werde nun wütender. Vielleicht waren wir zu lange zu nett. Wir haben uns das jetzt lange gefallen lassen, aber vielleicht müssen wir gegen die Wand fahren. Damit alle merken: Ups, das „MACHmit! Museum“ ist weg. Aber wenn wir einmal weg sind, sind wir weg. So ein Museum kriegt man dann nicht mehr hochgefahren.
/ Foto: promo – Text: Christian Hönicke
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