Nachbarschaft
Veröffentlicht am 20.07.2021 von Lotte Buschenhagen
Neun Fragen an die europäische Kleinpartei „Volt“: Im Gespräch mit dem Tagesspiegel verraten Berlin-Spitzenkandidat Steffen Daniel Meyer und BVV-Kandidatin Mireille-Darline Gahomera, wie sie dem Berliner Behördenpingpong den Garaus machen möchten – und wo sie in Pankow gern anpacken würden.
Bei der Europawahl 2019 erhielt die Volt Deutschland gerade einmal 0,7% der Stimmen – in Berlin 1,2%. Wie fühlt es sich an, dennoch anzutreten?
Meyer: Wie fühlt sich das an, mitzumachen? Super! Es gibt keine Partei, die das Thema „Vereintes Europa“ in solcher Stärke machen möchte, wie wir – deshalb möchten wir bekannter werden. Dann rocken wir das.
Wie denn?
Meyer: Nach der letzten Europawahl haben wir uns hingesetzt und geschaut, was eigentlich die Probleme von Berlin sind. Was uns dabei aufgefallen ist, ist dass es in Berlin stark an der Verwaltung hakt. Deshalb sagen wir: Wir brauchen eine Senatsverwaltung für Digitalisierung! Nicht, weil die Digitalisierung auf einen Schlag alle Probleme lösen wird – aber sie kann dabei helfen, die Prozesse in der Verwaltung schneller zu machen. Außerdem wollen wir die Verkehrswende und soziales Wohnen voranbringen und lebenslanges Lernen bei der Bildung etablieren: von der Geburt bis zum Tod.
Sie sprachen es schon an: Klimawandel und soziales Wohnen. Viele Ihrer Ziele decken Grüne und Linke doch schon ab – warum braucht es überhaupt noch die Volt?
Meyer: Wir sind pragmatisch und haben keine Ideologie. Und dadurch, das sieht man, wenn man unsere Parteiprogramme vergleicht, haben wir unsere Unterschiede zu Linken, Grünen und anderen. Wir verorten uns nicht in einer Richtung. In Darmstadt koalieren wir mit der CDU, in München mit der SPD – wir schauen, wer die Lösungen, die wir wollen, am besten mit uns umsetzen kann.
Gibt es ein Thema, das Ihnen persönlich besonders wichtig ist?
Gahomera: Wir sind eine Mitmachpartei. Das Thema Teilhabe ist mir daher sehr wichtig: An sich gibt es zwar Bürgerbeteiligung, berlinweit und auch in Pankow – aber die Angebote sind relativ klein, wenn man vergleicht, wie viel Möglichkeiten es eigentlich geben könnte, um Bürger und Bürgerinnen zu beteiligen. Wenn man sich zum Beispiel die Beteiligungsplattform meinberlin.de ansieht, sieht man, dass es viele Projekte gibt, bei denen Bürgerbeteiligung nicht unbedingt erwünscht ist. Zum Beispiel in Pankow: Hier gab es vor ein paar Monaten nur vier Projekte, bei denen man sich beteiligen konnte. Diese Zahl hat sich jetzt auf 18 Projekte erhöht – zum Vergleich: In Mitte werden ganze 150 Projekte angeboten. Wenn etwas vor der eigenen Haustür passiert, muss man die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen.
Herr Meyer, was würden Sie zuerst tun, wenn Sie Regierender Bürgermeister würden?
Meyer: Auch hier: Unsere Verwaltung und unsere Bildung müssen digitalisiert werden. Da ist Berlin hinten dran. Es braucht eine zentrale Stelle, die federführend übernimmt und die zuständigen Stellen koordiniert. Anschließend muss man die Zuständigkeiten zwischen den Bezirken und dem Abgeordnetenhaus klären – damit das Behördenpingpong endlich aufhört!
Zeit für einen Blick nach Nord-Berlin: Wie würden Sie Pankow in drei Wörtern beschreiben?
Meyer: Divers – Pankow ist nicht nur Prenzlauer Berg, sondern auch der ganze Norden. Und grün. Aber leider noch zu viele Autos! Wir haben nichts gegen Autos und Autofahrer, aber wir müssen auf alternative Angebote umsteigen: ÖPNV, Fahrrad, Fuß. Auch, wenn das kein eines Wort ist.
Was läuft in Pankow noch so gar nicht rund?
Gahomera: Ich finde das Wort „ausbaufähig“ schöner (lacht)! Mir ist als Herzensthema die Debürokratisierung der Verwaltung sehr wichtig. Daher hoffen wir, dass wir durch unseren Einsatz vieles verbessern können – sowohl für die, die in der Verwaltung arbeiten, als auch für die, die im Bezirk und Berlin wohnen. Wir haben wirklich große Schieflagen: Ich habe das Gefühl, dass in Pankow viele Dinge nicht digital funktionieren, weil es noch nicht aufgegriffen wurde. Es wäre wichtig, beispielsweise Wartezeiten für Bürgeramtstermine zu verkürzen, indem Termine digital von zu Hause aus erledigt werden könnten.
Meyer: Selbst bei der Verkehrswende oder beim sozialen Wohnungsbau: Es hängt daran, dass es nicht schnell genug vorangeht. Warum dauert das so lange? Alle sagen, das sei die Verwaltung. Das heißt aber nicht, dass die Mitarbeiter*innen daran schuld sind, es sind einfach die Prozesse und Strukturen. Die muss man angehen. Eine Forderung aus unserem Wahlprogramm ist hier das politische Bezirksamt, weil wir glauben, dass dadurch Entscheidungen schneller getroffen werden können. Hier nochmal das Beispiel meinberlin.de: Das könnte man viel eingängiger machen, damit die Leute wissen, was in ihrer Umgebung passiert. Man könnte an allen Plätzen, wo etwas geplant wird, einen QR-Code anbringen, wo man Input zum Bauprojekt geben kann.
Wenn Sie nicht im Volt-Büro sind: Wo findet man Sie am meisten im Bezirk?
Gahomera: Wir selbst machen Wahlkampf gern im Park – zum Beispiel im Bürgerpark Pankow. Es ist uns wichtig, Bürger und Bürgerinnen anzusprechen und ihnen zuzuhören. Der ist echt toll – von zwei Cafés bis zum Livedance und einem Ziegengehege. Sehr vielfältig!
Meyer: Ich mag den Caligariplatz sehr gern. Ich weiß nicht, wie viel Stunden ich schon mit meinem Laptop im Café Nemo saß, die Tram vorbeigefahren ist und ich rausgeguckt habe.
Pankow in zehn Jahren: Wie sähe der Bezirk aus, wenn es nach Ihnen ginge?
Gahomera: Eines unserer Herzensanliegen ist der Glasfaserausbau, damit jeder Haushalt darauf zurückgreifen könnte. Es wäre toll, wenn das auch in Pankow klappen würde! Vor allem im Norden, aber wir haben selbst in Prenzlauer Berg mit der Verbindung zu kämpfen.
Meyer: Kurz gesagt: Noch mehr Grün – und eine viel bessere Anbindung des Pankower Nordens. – Foto: Volt Europa
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-c.hoenicke@tagesspiegel.de.