Nachbarschaft
Veröffentlicht am 07.07.2022 von Bao-My Nguyen

Im Spätsommer vorigen Jahres standen sie plötzlich da: drei quietschbunte Holzpodeste am Fahrbahnrand. Die sogenannten Parklets ersetzten Autoabstellplätze in der Gudvanger und Templiner Straße sowie in der Dunckerstraße. Gebaut wurden sie von der Initiative „PowerShift“. Doch jetzt sind die Parklets wieder verschwunden. Das Bezirksamt forderte die Räumung, obwohl es im vorherigen Oktober noch ganz anders hieß. Im Interview spricht PowerShift-Geschäftsführerin Tine Laufer über die Rückeroberung des Straßenraums für die Menschen und über die Fragen, warum das Bezirksamt ihrer Meinung nach aktiv die Verkehrswende blockiert und ob es neue Parklets im Bezirk geben wird. Sie selbst wohnt seit 1985 an den verschiedensten Orten im Prenzlauer Berg.
Frau Laufer, was steht nun an den drei Stellen, wo sich ehemals die Parklets befanden?
Autos, nehme ich an.
Wie kamen Sie auf die Idee, in diesen drei Straßen Parklets aufzustellen?
Das waren Standorte, die wir in Absprache mit dem Bezirksamt gefunden hatten. Sie mussten in einer verkehrsberuhigten Zone sein, also höchstens Tempo 30. Wir dachten uns: Wir machen die Kooperation mit den Schulen und den Kinder- und Schülerläden in der Templiner Straße, damit die Parklets von den Kindern auch genutzt werden können. Außerdem wohne ich im Prenzlauer Berg und konnte immer ein Auge darauf haben, wie sie funktionieren, ob etwas schiefläuft. Die Pflege habe ich zum Teil auch übernommen.
Kam Ihnen die Idee als Anwohnerin oder als PowerShift-Geschäftsführerin?
Bei PowerShift koordinieren wir das Bündnis „Berliner Straßen für alle“. Dessen Ziel ist es, den Verkehr in Berlin bis 2030 um 50 Prozent mit verschiedenen Maßnahmen zu verringern. Im Rahmen dieses Projekts wollten Parkplätze reduzieren, indem wir dort Sitzmöbel aufstellen und zeigen, wie der Platz effizient zu nutzen ist. Wir können da nicht nur Autos hinstellen, sondern ihn selbst nutzen und den öffentlichen Straßenraum wieder zurückgewinnen.
Jetzt haben Sie diese Parklets wieder abgeräumt. Was ist mit diesen Holzpodesten passiert?
Die haben wir jetzt nach Friedrichshain verschoben. Die Verwaltung dort hat sehr positiv reagiert: Innerhalb von fünf Wochen haben wir Bescheid bekommen, dass wir die Parklets aufstellen dürfen. Das Bezirksamt dort hat keine Sicherheitsbedenken.
War das anders beim Bezirksamt Pankow?
Es war erst ganz schwierig, die überhaupt Parklets hinstellen zu können. Bei Vorgesprächen hat das Bezirksamt herausgefunden, dass es gar kein Verfahren für sowas hat und brauchte dann 18 Monate, um diesen Prozess zu etablieren. Wir wollten die Parklets für 22 Monate aufstellen. Als wir die Genehmigung erhielten, rechnete das Bezirksamt diese 18 Monate mit an – wir hätten nach vier Monaten genehmigter Zeit wieder abbauen müssen. Als wir bereits im August 2021 anfragten, ob die Nutzungsdauer verlängert werden könne, kam innerhalb von einigen Tagen schon eine E-Mail, dass dies nicht möglich sei.
Womit wurde das begründet?
Erst über eine Anfrage der Linken in der BVV erfuhren wir die Antwort des Bezirksamts: Aus Sicherheitsgründen gehe es nicht, weil da kein Platz sei – es könne ja sein, dass Autofahrende die Kontrolle über ihre Wagen verlieren und ein Parklet rammen. Die Benutzer*innen seien nicht ausreichend geschützt. Das Bezirksamt verlangt aberwitzige Schutzkonzepte, während parkende Autos diese in keiner Weise erfüllen müssen. Die Pankower Auflagen für Parklets sind strenger als die der Senatsverwaltung. Unsere Parklets erfüllen die Anforderungen des Senats, aber nicht die des Straßen- und Grünflächenamts Pankow, welche in unseren Augen überspitzt sind.
Das geschah Herbst vorigen Jahres unter dem Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). Seine Nachfolgerin ist nun Manuela Anders-Granitzki (CDU). Welche Rückmeldung haben Sie von ihr?
Keine, da kam überhaupt keine Reaktion. Im Mai erhielten wir nur die Räumungsverfügung.
Und planen Sie doch noch neue Parklets in Pankow?
Wenn die Verwaltung sich nicht ändert und weiter keine Parklets möchte, dann rennt man nur gegen Mauern. Wir haben wahnsinnig viel Arbeitszeit dafür verbracht, mit dem Bezirksamt zu kommunizieren, um am Ende vier Monate Zeit für die Aufstellung zu bekommen. Das hat sehr viel Frust gebracht. Wir haben ja nur über politischen Druck erreicht, dass die Parklets überhaupt aufgestellt werden können. Das Bezirksamt ist ganz klar pro Auto und möchte den öffentlichen Raum nicht anders nutzen lassen als für Parkplätze.
- Fotos: PowerShift, Bao-My Nguyen
- Mein Kollege Christian Hönicke machte sich bereits letztes Jahr auf die Suche nach den mysteriösen Urheber*innen und landete beim Verein PowerShift – damals schienen die verantwortlichen Personen noch zuversichtlich, dass die Begegnungsorte langfristig bleiben können: plus.tagesspiegel.de
- Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: bao-my.nguyen@extern.tagesspiegel.de