Nachbarschaft
Veröffentlicht am 19.01.2023 von Christian Hönicke

Entsetzen am Schlosspark Schönhausen: Die seit Jahren umkämpfte Wohnanlage nahe Pankow Kirche soll nun doch bebaut werden. „Für uns völlig überraschend erfuhren wir, dass die Gesobau für unsere zwei Wohngrünflächen einen Antrag auf massive und erdrückende Bebauung direkt bei der Senatsbauverwaltung gestellt hat“, berichtet Britta Krehl von der Initiative „Grüner Kiez Pankow“. Konkret sollen Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) errichtet werden, 36 Bäume müssten dafür gefällt und Spielplätze abgerissen werden.
Es geht um den Kiez zwischen Kavalierstraße, Ossietzkystraße, Am Schlosspark und Wolfshagener Straße. Die Nachverdichtung der beiden Wohnhöfe in Hand der kommunalen Gesobau ist im sogenannten „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ vorgesehen. Der Bezirk Pankow stoppte das Vorhaben durch die Aufstellung eines Bebauungsplans – mit der Begründung des in Pankow ausgerufenen „Klimanotstands“.
Das Bezirksamt bestätigte den neuen Vorstoß auf Nachfrage. Es sei zutreffend, dass die Gesobau einen Antrag für die Errichtung einer MUF bei der Senatsverwaltung gestellt habe, berichtet Pankows Baustadträtin Rona Tietje (SPD). Der Bezirk solle nun bis Freitag „fachdienliche Hinweise“ geben.
Das Vorhaben kollidiere mit den Zielsetzungen des Bebauungsplanes, der derzeit aufgestellt wird, sagt Tietje: „Deswegen werden wir eine negative Stellungnahme abgeben.“ Allerdings könnten weder der Bezirk noch sein Bebauungsplan viel ausrichten, da hier ein Sonderbaurecht greife. „Die abschließende Entscheidung trifft die oberste Bauaufsicht“, sagt die Stadträtin. „Zur Zeitschiene dafür ist uns nichts bekannt.“
Die Senatsbauverwaltung hielt sich auf Nachfrage bedeckt. „Es handelt sich hier um ein laufendes Verfahren, über das noch nicht entschieden wurde“, teilte Sprecher Martin Pallgen mit. „Deswegen kann ich im Moment keine weiteren Auskünfte dazu erteilen.“
Die Senatsverwaltung hatte sich stets kritisch zum Vorgehen des Bezirks geäußert und weiter auf eine Bebauung der Höfe gedrängt. Die städtische Gesobau wollte mit Unterstützung der Bauverwaltung die Baugenehmigung vor Gericht erstreiten, zog die Klage gegen den Bezirk Pankow jedoch später zurück.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Senatsverwaltung und die Gesobau das Vorgehen auch diesmal koordiniert haben. „Die Errichtung von MUFs ist in Paragraf 246 Absatz 14 des Baugesetzbuches geregelt“, erklärte Pallgen dazu knapp. Darin wird ein Sonderbaurecht für Flüchtlingsunterkünfte eingeräumt – und für die Genehmigung ist rechtlich nicht der Bezirk, sondern das Land zuständig.
Der Paragraf „wird zum Vehikel, um verfehlte Planungen unter Ausschaltung der regulär geltenden rechtlichen und partizipativen Standards und gegen den erklärten Willen von Bezirk und Bürgern doch noch durchzuboxen“, kritisiert Anwohnerin Britta Krehl. „Die Gesobau versucht, gemeinsam mit der Senatsbauverwaltung über einen fragwürdigen juristischen Winkelzug Bauplanungen aus dem Jahr 2019 durchzudrücken, welche im Bezirk einhellig abgelehnt werden.“
Dazu seien einfach die Pläne, die die Schaffung von zunächst 170 und zuletzt noch 100 Wohnungen vorsahen, noch einmal verwendet worden, so Krehl. „Hierfür werden die alten, unveränderten Bauvarianten als MUF-Vorhaben etikettiert, um sie direkt durch die Senatsbauverwaltung genehmigen zu können.“ Das Bezirksamt Pankow habe den Anwohnern „das alptraumhafte Szenario“ bestätigt.
Die Initiative wirft der Gesobau und der Senatsverwaltung vor, das Sonderbaurecht zu „missbrauchen“. Durch ihr Vorgehen würden sie einen mehrjährigen demokratischen Prozess negieren und den aufgestellten B-Plan „hintergehen“. Krehl: „Solch ein Vorhaben darf nicht durchkommen – auch, um nicht an anderen Orten Schule zu machen.“
Einen „Missbrauch des Sonderbaurechts durch Senator Geisel“ sieht auch Sandra Brunner, die Vorsitzende der Pankower Linkspartei. „Die Notlage bei der Unterbringung von Geflüchteten wird als Deckung für eine unsoziale und unökologische Baupolitik instrumentalisiert.“ Sie fordert, dass Gesobau und Senatsverwaltung den Bauantrag zurückziehen und ein Fällmoratorium für die Bäume erlassen wird.
Über die Strategie der Gesobau wolle sie nicht spekulieren, sagt Stadträtin Tietje. „Klar ist aber, dass ein Bau, der nach dem Sonderbaurecht für Geflüchtetenunterkünfte genehmigt wurde, nicht zeitnah für normale Wohnungen genutzt werden kann. Er muss dann schon auch als Flüchtlingsunterkunft dienen.“ – Foto: Imago/Jürgen Ritter
- Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: christian.hoenicke@tagesspiegel.de