Intro
von Gerd Appenzeller
Veröffentlicht am 01.11.2017
warum funktionieren in Berlin so viele Dinge nicht? Warum werden Missstände nicht behoben, obwohl jeder der von ihnen betroffenen Bürgerinnen und Bürger sofort sagen könnte, was getan werden muss? Wenn es auf bezirklicher Ebene Probleme gibt, heißt es in der Reinickendorfer, CDU-dominierten Verwaltung oft: Das liegt am Rot-Rot-Grünen Senat – so, als sei es Jahrzehnte her, dass die CDU das letzte Mal an der Stadtregierung beteiligt war. Aber auch die SPD des Bezirks macht gerne mal die Verwaltung Reinickendorfs madig, zumindest jenen Teil, für den die CDU oder der AfD-Mann Sebastian Maack verantwortlich ist. Als Journalist lernt man schnell, jede, aber auch wirklich jede Pressemitteilung daraufhin abzuklopfen, was Parteipropaganda und was Faktum ist.
Aktuell gibt es wieder einen Fall. Es geht um die Mäckeritzwiesen, die Siedlung im Süden des Flughafens, deren Bewohner durch die den Starkregenfällen nachfolgenden Überschwemmungen wirklich gebeutelt waren. Tatsächlich sind die Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirk in diesem Gebiet aus rechtlichen Gründen unklar, das erklärt wohl manche Zuspitzung. Schnell lobte Frank Steffel, CDU, den sofortigen Hilfseinsatz des THW und organisierte später einen „Runden Tisch“, fand auch einen 10.000-Euro-Spender, um die Bewohner der Mäckeritzwiesen von ersten Kosten zu entlasten. Davor warf der SPD-Abgeordnete Jörg Stroedter Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU) vor, er habe die Siedler im Stich gelassen. Der CDU-Bundestagabgeordnete Frank Steffel, den man durchaus als den politischen Platzhirsch in Reinickendorf bezeichnen darf, würdigt nun auf der einen Seite, dass sich „der Berliner Senat nach den verheerenden Überschwemmungen…u.a. in den Reinickendorfer Mäckeritzwiesen bewegt“ und zu einem Expertengespräch eingeladen hat. Die Einsetzung eines Gutachters sei ein guter Weg, stellt er fest… „um dem berlinweiten Problem des Grundwassers langfristig begegnen zu können“. Allerdings „muss der (Rot-Rot-Grüne) Senat selbstverständlich für die Kosten notwendiger Maßnahmen aufkommen“. Das dürfte sachlich falsch sein, denn Gutachter Alexander Limberg von der Landesgeologie der Senatsverwaltung hat bei dem erwähnten Expertengespräch festgestellt, dass in den Mäckeritzwiesen „die Überschwemmungen des Sommers nicht durch das Grundwasser, sondern durch das nur sehr schlecht und verzögert versickernde Regenwasser hervorgerufen wurden“.
Tatsächlich rügt zudem ein Ingenieurbüro für Wasser und Umwelt, dass die Mäckeritzgräben, die eigentlich das Wasser aufnehmen sollten, verfüllt und teilweise als Feuerwehrzufahrt genutzt waren. Und auch in einem weiteren Punkt seiner Mitteilung scheint mir Frank Steffel falsch zu liegen, wenn er dem Senat vorwirft, er „verweigert sich auf allen Ebenen: Tegel bleibt mit Volllast am Netz, da der BER nicht fertig wird“. Kleine Erinnerungshilfe: Wenn Tegel noch lange am Netz bleibt, liegt das auch an dem Volksbegehren zur Offenhaltung von Tegel, das FDP und CDU erfolgreich initiiert haben. Und wenn es keinen Bebauungsplan für die Mäckeritzwiesen gibt, dann deshalb, weil der erst erstellt werden kann, wenn klar ist, ob und wann TXL geschlossen wird – oder nicht.
Merke: Es gibt weder ein sozialdemokratisches noch ein christdemokratisches Hochwasser, sondern nur die gemeinsame Pflicht, den betroffenen Bürgern zu helfen.
Gerd Appenzeller, geborener Berliner, ist seit 22 Jahren Mitglied der Tagesspiegel-Redaktion, war Chefredakteur und Herausgeber. Als er 1994 mit seiner Familie in die alte Heimat zurückkam, zog er nach Hermsdorf, denn dort hat er auch seine Kindheit verbracht und dort leben auch sein Bruder und dessen Frau. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an leute-g.appenzeller@tagesspiegel.de