Intro

von Gerd Appenzeller

Veröffentlicht am 28.02.2018

Seit Anfang Januar habe ich im Reinickendorf-Newsletter immer wieder, Woche für Woche, auf die schwierige Situation im Fließtal hingewiesen – nach den Starkregenfällen des vergangenen Sommers standen zunächst große Flächen unter Wasser, viele Anlieger hatten Ärger wegen vollgelaufener Keller, und das Schlimmste war wohl, dass sich der Senat in allen Belangen für völlig unzuständig erklärte. Stattdessen hörte man, das Fließ solle wieder der Natur zurückgegeben werden. Die Lübarser Bauern, deren Vorfahren seit mehreren hundert Jahren die Wiesen rund um den Dorfanger von ihren Viehherden beweiden ließen, konnten das Gelände nicht mehr nutzen. Die Flutgräben wurden nicht mehr gepflegt, umgestürzte Bäume am Hermsdorfer See und entlang des Flusses selbst erweckten weniger den Eindruck einer natürlich Landschaft als des Verfalls. Dann reagierte der CDU-Abgeordnete Tim-Christopher Zeelen auf die wachsende Unruhe der Anlieger, die sich in Briefen an ihn, vor allem aber auch in Mails an den Reinickendorf-Newsletter Bahn brach. Er richtete eine Anfrage an den Senat, in der er um Auskünfte über die Einschätzung der unhaltbaren Situation im Fließtal bat. Die Antwort kam am 30. Januar, ich hatte darüber berichtet.

Nun suchte der zuständige Staatssekretär, Stefan Tidow (Grüne), in Begleitung mehrerer Vertreterinnen und Vertreter des Bezirks, das Fließtal auf. Was er anbot, war nicht so sehr eine schnelle Lösung des Problems, aber er zeigte doch – ein Zeichen der Hoffnung! – Einsicht in die Problemlage der Hermsdorfer, Waidmannsluster und Lübarser und erwies sich nach Einschätzung der Anwesenden zudem als verständnisvoller Gesprächspartner. Und auch dies geschah in den letzten Tagen: Überall wurden umgestürzte Bäume, wurde Totholz entfernt. Einer, der zwischen der Artemisstraße und der S-Bahnlinie seit Monaten quer über dem Fließ lag und angeblich nicht störte, ist nun auch abgeräumt. Wie schön!

Und das sind die angekündigten Maßnahmen im Einzelnen, wobei die Senatsumweltverwaltung erklärt, all das fände ja bereits statt (dummerweise merken es die Anlieger nur nicht):

  • Das Fließ und die Gräben, die die angrenzenden Wiesen entwässern, sollen kontinuierlich gereinigt werden.
  • Der Hermsdorfer See soll in den Jahren 2019/2020 ausgebaggert werden. Dazu teilt mir der Sprecher der Senatsumweltverwaltung, Matthias Tang, mit, dies geschehe alle zwanzig Jahre, weil sonst durch eingelagertes Laub und Äste die Gefahr bestünde, dass der See biologisch umkippt. Aus der Antwort des Senats auf die zitierte Anfrage von Tim-Christopher Zeelen geht aber hervor, dass der Hermsdorfer See am tiefsten Punkt 1991 noch 3,7 Meter tief war, aktuell aber nur noch 2,3 Meter. Das bestätigt Beobachtungen von Sportanglern, die sich bei mir meldeten und beweist zudem, dass von einer Ausbaggerung alle 20 Jahre keine Rede sein kann.
  • Strittig ist, ob der Senat den Lübarser Bauern anbieten kann, diese dürften künftig die Flutgräben selber reinigen, um so dem Absaufen ihrer Wiesen entgegen zu wirken. Matthias Tang schrieb dazu: Das wird aus rechtlichen Gründen sehr schwierig. Wenn aber der Senat für diese Maßnahmen entweder keine Gelder hat (?), oder keine ausführenden Firmen findet (das wurde angedeutet), wäre es doch wohl besser, die Lübarser Landwirte selbst ihr Eigentum schützen zu lassen, als gar nichts zu tun.
  • Unstrittig blieb, dass, um den Tegeler See vor Überdüngung zu schützen, nicht einfach nach starken Regenfällen das Phosphat-belastete Fließwasser völlig unkontrolliert in den See geleitet werden darf. Und ebenfalls keinen Dissens gab es bei der Feststellung, so große Regenmengen könne der Torfboden des Fließtales einfach nicht aufnehmen. Zudem verdunstete das in der Fläche stehende Wasser im Sommer nicht so schnell wie erwartet, weil die Sonnenscheindauer hinter den Erwartungen zurück blieb.
  • Eines aber sollte sich der Bezirk und sollten sich die Anlieger merken: Nur weil aus Reinickendorf heraus, durch Zeitung, Newsletter und Bezirkspolitik der unhaltbare Zustand immer wieder thematisiert und die Senatsverwaltung dadurch genervt wurde, hat sich überhaupt etwas bewegt.

    Gerd Appenzeller, geborener Berliner, ist seit 22 Jahren Mitglied der Tagesspiegel-Redaktion, war Chefredakteur und Herausgeber. Als er 1994 mit seiner Familie in die alte Heimat zurückkam, zog er nach Hermsdorf, denn dort hat er auch seine Kindheit verbracht und dort leben auch sein Bruder und dessen Frau. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an leute-g.appenzeller@tagesspiegel.de