Intro

von Gerd Appenzeller

Veröffentlicht am 16.09.2020

Es herrscht eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Zorn im Reinickendorfer Bezirksamt und in Fachabteilungen wie dem Gesundheitsamt. Auslöser der Emotionen ist ein Interview, das Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, SPD, am Dienstagmorgen dem Inforadio des RBB gegeben hatte. Darin wiederholte sie alte, und lange als unberechtigt dementierte Vorwürfe, in Reinickendorf seien im Bereich des Gesundheitsamtes 47 Stellen nicht besetzt, unter anderem, weil sich der Bezirk überhaupt nicht um eine Besetzung kümmere. Hier der Link.

Mit großem Erstaunen habe man im Bezirksamt und in der angesprochenen Fachabteilung die Worte der Gesundheitssenatorin vernommen, wurde mir auf Rückfrage gesagt. Kalayci suggeriere, dass das Gesundheitsamt Reinickendorf 47 unbesetzte Stellen habe. Dabei handele es sich aber um eine theoretische Zahl von Stellen. Tatsächlich würden sie nur zur Verfügung stehen, wenn sie vom Finanzsenator mit einer Finanzierungszusage versehen worden wären.

In dem Interview würde auch so getan, als wenn es im Gesundheitsamt Reinickendorf Personalnöte gebe. Davon könne aber keine Rede sein, sagte mir Patrick Larscheid, der Leiter des Gesundheitsamtes, mit dem die Senatorin vor Monaten am Beginn der Pandemie schon einmal in Streit geraten war.

Tatsächlich gehöre Reinickendorf zu den Berliner Bezirken, die nach wie vor optimal durch das eigene Bezirksamt unterstützt würden. Larscheid wörtlich: „Wir schaffen unsere Arbeit gut, sind nach wie vor an sieben Tagen in der Woche besetzt. Diese Besetzung können wir durch Personal des Bezirksamtes und durch Mehrarbeit in den Reihen des Gesundheitsamtes sicherstellen. Die von der Senatorin erwähnte Unterstützung durch Studierende oder Soldaten ersetzt kein qualitativ hochwertiges Personal. Deshalb nehmen die hier Beschäftigten mit sehr gut messbarem Erfolg lieber Mehrarbeit in Kauf.“

Larscheid und das Bezirksamt betonen auch, das Gesundheitsamt des Bezirks stünde seit Jahren für eine solide Personalplanung. Ob Stellen unbesetzt sind, erkenne man nur daran, dass vorhandene Stellen frei seien. Das sei aber in Reinickendorf seit Jahren nur im Rahmen der Fluktuation der Fall. Natürlich gebe es auch in diesem Bezirk einen Wechsel, und man bemerke, dass die Nachbesetzung von Stellen schon im Vorfeld kompliziert wird, weil die hier gezahlten Gehälter nach wie vor unattraktiv sind.

Larscheid bestritt die von Kalayci geäußerte Behauptung, es habe in den letzten Jahren eine Verbesserung der Vergütung und Besoldung gegeben. Das sei unrichtig. Im Bereich der Beamten habe sich hier überhaupt nichts getan, Tarifbeschäftigte könnten bei Neueinstellung unter der Voraussetzung des Nachweises einer Mangelsituation (die nirgendwo definiert worden sei), für eine kurze Zeit befristet eine von den Bezirken selber zu finanzierende Zulage bekommen: Die müsse aber immer begründet werden, und käme nicht jedem zu. Die Zulage wirke sich nicht auf die Rente aus, und sie sei im Regelfall auf zwei Jahre befristet.

Larscheid grundsätzlich, und wohl nicht nur an die Adresse der Senatorin: „Es ist seit vielen Jahren in der gesamten Bundesrepublik bekannt, dass aus Gründen der schlechten Bezahlungsstruktur die Gesundheitsämter Nachbesetzungsprobleme haben.“ Der Berufsverband der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst hat sich immer wieder dazu geäußert. Wenn die zuständige Senatorin jetzt so tue, als seien diese Probleme gelöst, verkenne sie die Realität. – Text: Gerd Appenzeller
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