Intro
von André Görke
Veröffentlicht am 04.10.2021
das wird noch richtig spannend. Der SPD-Politiker Jörg Stroedter bleibt der gewählte Abgeordnete des Wahlkreises 2, in dem bislang die CDU-Politikern Emine Demirbüken-Wegner das Direktmandat hatte. Eine von ihr beantragte Nachzählung hatte den knappen Vorsprung von Stroedter nicht nur bestätigt, sondern ließ ihn von 42 auf 61 Erststimmen anwachsen. Dass Demirbüken-Wegner die Nachzählung beantragt hatte, war bei so knappen Mehrheitsverhältnissen völlig korrekt.
In 16 der 78 Wahlkreise (jeweils bis zu 35.000 Wahlberechtigte) hatten die Gewinner einen Vorsprung von weniger als 500 Stimmen – und Reinickendorf war noch ein zweites Mal dabei: Hier die knappsten Wahlergebnisse in Berlin, zusammengestellt im „Tagesspiegel Checkpoint“ von Chefredakteur Lorenz Maroldt.
Während das in Reinickendorf-West ein großes Thema war, beschäftigt sich der politische Bezirk insgesamt mehr mit der Frage, welche Mehrheiten sich in der BVV herausbilden werden. Hier noch einmal zur Erinnerung die Stärkeverhältnisse.
- CDU 18
- SPD 15
- Grüne 9
- AfD 6
- FDP 4
- Linke 3
Eine Blockbildung von CDU und AfD wie in der vergangenen Legislatur ist damit nicht mehr möglich. Drei Blöcke sind denkbar:
- SPD + Grüne + FDP 28
- CDU + FDP + AfD 28
- CDU + Grüne + FDP 31
Eine Konstellation, bei der es für den CDU-Kandidaten Michael Wegner als Bezirksbürgermeister reichen würde (der scheidende Rathaus-Chef Frank Balzer, CDU, strebt das immer noch an), scheint politisch kaum vorstellbar. Die Kräfte, die Uwe Brockhausen, SPD, zum Bürgermeister küren wollen, sind stärker. Da Michael Wegner im Kreis seiner Parteifreunde immer gesagt hat, er komme als Bürgermeister oder gar nicht, wird damit ein Platz im künftigen sechsköpfigen Bezirksamt frei.
Auch dafür gibt es schon eine Kandidatin. Es ist: Emine Demirbüken-Wegner, die Frau von Michael Wegner, die gerade als Abgeordnete an Jörg Stroedter gescheitert ist.
Man kann das nun Vetterleswirtschaft oder Karriereabsicherung nennen, und einen fahlen Beigeschmack hat es ohnedies. Denn als Ehepaar hätten nicht beide gleichzeitig dem Bezirksamt angehören dürfen. Demirbüken-Wegner aber pauschal die Eignung abzusprechen, wäre nicht korrekt. Sie kam als Achtjährige mit ihren Eltern aus der Türkei nach Berlin, studierte an der FU, war Sozialarbeiterin und bei der Arbeiterwohlfahrt, seit 2006 war sie Abgeordnete.
Die CDU rechnet damit, von den sechs Plätzen im Bezirksamt (bei 18 von 55 BVV-Mitgliedern) drei beanspruchen zu können. Mit Sicherheit werden die Grünen ein Mitglied stellen. Das wird also wirklich sehr spannend.
Gerd Appenzeller, geborener Berliner, ist seit 25 Jahren Mitglied der Tagesspiegel-Redaktion, war Chefredakteur und Herausgeber. Als er 1994 mit seiner Familie in die alte Heimat zurückkam, zog er nach Hermsdorf, denn dort hat er auch seine Kindheit verbracht und dort leben auch sein Bruder und dessen Frau. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an gerd.appenzeller@tagesspiegel.de
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