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von Lisa Erzsa Weil

Veröffentlicht am 15.02.2023

wie geht es jetzt weiter in Reinickendorf – und in ganz Berlin? Das fragen sich nach den Wiederholungswahlen vom Sonntag Wähler:innen und Politiker:innen gleichermaßen. Die politische Landkarte der Hauptstadt, die zuvor Rot-Rot-Grün war, wurde mit überraschender Deutlichkeit zu einer schwarzen mit grünem Zentrum. Die CDU hat bei diesen Wahlen ganz klar abgeräumt.

Wenn Sie sich die Reinickendorfer Ergebnisse der Wiederholungswahl zu BVV (Bezirksverordnetenversammlung) und AGH (Abgeordnetenhaus) noch einmal in Ruhe durchlesen wollen: Hier geht es zum Spezialnewsletter zur Wahl, den wir Ihnen am Montag haben zukommen lassen. Und hier finden Sie all unsere zwölf Wahl-Sondernewsletter aus ganz Berlin praktisch in einem Artikel zusammengefasst.

Bei uns im Bezirk hatte die CDU auch vor der jetzigen Wahl schon mehr Stimmen inne (29 Prozent im Vergleich zu 23,8 Prozent für die SPD), konnte sich im bezirklichen Parlament, der BVV, jedoch nicht gegenüber der Ampel-Zählgemeinschaft aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP behaupten.

Nun aber gibt es neue Mehrheiten: Die CDU hat Anspruch auf 25 Sitze (vorher: 18), die SPD auf 13 (gegenüber 15), die Grünen erhalten 7 (statt 9), die AfD bleibt mit 6 Sitzen gleich, die FDP halbiert sich (2 statt 4 Sitze), die Linke verliert einen und ist nunmehr ebenfalls nur zu zweit.

Bisher konnte die Zählgemeinschaft 28 von 55 Sitzen stellen (die absolute Mehrheit in der 55-köpfigen BVV liegt bei 28). Bei ihr lag auch das Vorschlagsrecht für die Wahl von Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen (SPD). Das dürfte sich nun die CDU für die eigene Kandidatin auf das Amt, stellveretretende Bezirksbürgermeisterin und Stadträtin Emine Demirbüken-Wegner, abholen wollen.

Auch wenn FDP und Linke Federn lassen mussten: Sie haben es erneut über die Drei-Prozent-Hürde in die BVV geschafft. Das hat ansonsten keine neue Partei: Die Tierschutzpartei – die in einigen Bezirken sogar mehr Stimmen holte als die Liberalen – kam mit 2,9 Prozent jedoch knapp am nächsten heran. Die Satire-„Partei“ errang 1,2 %, Die Grauen 1,1 %. Die aus dem Querdenker-Milieu stammende Partei “Die Basis” holte 0,6 %, ebenso wie die Freien Wähler.

Der Verlust der Sitze von FDP und Linke in der BVV heißt: Sie verlieren ihren Status als Fraktionen, der unter anderem weitergehende Rechte und Finanzierung gewährt. Reaktionen dazu konnten Sie bereits im Spezialnewsletter lesen, hier kommen weitere frische:

Kai Bartosch, Bezirksverordnete in der bisherigen Linken-Fraktion, bedauert den Stimmenverlust ihrer Partei auf Twitter: „Schade, dass wir als Linke in der BVV Reinickendorf unseren Fraktionsstatus verloren haben. Jetzt sind wir nur noch zwei. Ich werde mich auch weiterhin für die Verkehrswende, Frauen, Senioren, Teilhabe und Klimaschutz einsetzen. Danke an alle, die uns gewählt haben!“

Und der bisherige Fraktionsvorsitzende David Jahn kommentiert die FDP-Wahlschlappe: „Der Wahlsonntag war eine bittere Niederlage für uns Liberale. Im Dreikampf ums Rote Rathaus verloren liberale Positionen an Sichtbarkeit. Umso dankbarer bin ich, dass ich in den kommenden Jahren auch weiterhin in der BVV die Freiheit verteidigen darf.“

Eine Ebene über den Bezirken bei der Abgeordnetenhauswahl ist die FDP gänzlich aus dem Landesparlament geschieden – und damit auch Sibylle Meister, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte 2021 ein Listenmandat (Platz 1) gewonnen und saß für die Gebiete Heiligensee, Konradshöhe, Tegelort, Teile von Tegel und Tegel-Süd sowie Saatwinkel im AGH.

Die wiedergewählte Grünen-Abgeordnete Klara Schedlich kommentiert mit dem Hashtag #WaehlenFuerAlle auf Twitter: „Tut mir Leid, dass ihr, die FDP Fraktion Berlin, nicht mehr im AGH vertreten seid. Ich hätte gerne mit euch das Wahlalter gesenkt. Jetzt scheint erstmal keine 2/3-Mehrheit mehr möglich zu sein.“

Für die Arbeit im Abgeordnetenhaus hatten 2021 noch Abgeordnete aus zwei von sechs Reinickendorfer Wahlkreisen ein SPD-Direktmandat erhalten – nun gehören alle sechs Erststimmen der CDU. Die Zweitstimmen für die Wahl zum AGH, die dafür verantwortlich sind, wie stark eine Partei im Abgeordnetenhaus vertreten ist, präsentieren sich wie folgt:

  • CDU: 40,2 %
  • SPD: 20,3 %
  • Grüne: 12,0 %
  • AfD: 10,0 %
  • FDP: 4,9 %
  • Linke: 4,5 %

Ganz klar war zum Redaktionsschluss des Spezialnewsletters am Montag noch nicht, wer alles ins Abgeordnetenhaus Einzug hält (oder dort bleiben darf), deshalb hier nochmal gesammelt, inklusive neuer Namen und der Information, ob es sich um ein Direktmandat oder einen Listenplatz handelt:

  • Wahlkreis 1: Reinickendorf/Ost und Teile von Reinickendorf/West: Burkard Dregger (CDU, direkt), Bettina König (SPD, Liste), Thorsten Weiß (AfD, Liste)
  • Wahlkreis 2: Reinickendorf/West, Teile von Tegel-Süd, Teile von Wittenau und Mäckeritzwiesen: Emine Demirbüken-Wegner (CDU, direkt, neugewählt, verbleibt aber im Bezirksamt bzw. strebt das Amt der Bezirksbürgermeisterin an), Jörg Stroedter (SPD, Liste), Rolf Wiedenhaupt (AfD, Liste, neugewählt und verlässt die BVV)
  • Wahlkreis 3: Heiligensee, Konradshöhe, Tegelort, Teile von Tegel, Teile von Tegel-Süd sowie Saatwinkel: Stephan Schmidt (CDU, direkt)
  • Wahlkreis 4: Wittenau, Waidmannslust, Borsigwalde und Teile von Tegel: Björn Wohlert (CDU, direkt), Sven Meyer (SPD, Liste)
  • Wahlkreis 5: Lübars und Märkisches Viertel: Michael Dietmann (CDU, direkt), Katina Schubert (Linke, Liste), Carsten Ubbelohde (AfD, Liste, neugewählt)
  • Wahlkreis 6: Frohnau, Hermsdorf und Freie Scholle: Frank Balzer (CDU, direkt), Klara Schedlich (Grüne, Liste)

Da der bisherige Fraktionsvorsitzende der AfD in der BVV, Rolf Wiedenhaupt, nun ins Abgeordnetenhaus einzieht, wurde der Bezirksverordnete Sebastian Maack am Montagabend einstimmig zum neuen Fraktionsvorsitzenden seiner Partei gewählt.

Derweil beraten die Parteien, in erster Linie CDU, SPD und Grüne, sowohl auf Landes- als auch auf bezirklicher Ebene, intern und gemeinsam, wie es in Zukunft weitergehen soll. Manche sind, passend zum gestrigen Valentinstag, auf Partnersuche für neue Mehrheiten.

Mehr Klarheit könnte es in 1-2 Wochen geben – oder erst in einem Monat, wenn sich das neu gewählte Abgeordnetenhaus am 16. März konstituiert. Ob eine und welche Regelung für die Bezirksämter gefunden wird, muss auf Landesebene entschieden werden. Bis dahin wird aufgearbeitet und weitergearbeitet. Denn das Bezirksamt ist natürlich weiterhin intakt und aktiv. Das darf und soll es laut Bezirksverwaltungsgesetz auch sein, damit die verwalterischen Aufgaben erledigt werden.

Welche Fragen und Unklarheiten haben Sie? Was würden Sie in der aktuellen Situation gern von Ihren Kommunalpolitiker:innen wissen? Lassen Sie es mich wissen via lisa.weil@extern.tagesspiegel.de

Und nun viel Freude bei der Lektüre dieser – in dieser Woche aufgrund des ja bereits gesendeten Wahl-Spezial-Newsletters ein kleines bisschen kürzeren – Ausgabe.