Kiezkamera

Veröffentlicht am 03.04.2019 von Gerd Appenzeller

Sinnlose Abholzaktion oder unausweichliche Straßensanierung? Diese beiden Bilder zeigen die Ernststraße in Borsigwalde vor und nach dem Einsatz der Motorsägen. Gerade haben wir uns noch darüber aufgeregt, dass durch die Senatsverwaltung auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Heilstätten viele alte Ulmen abgeholzt wurden. Jetzt hat der Bezirk mit eigenen Kräften eine Baumfällaktion in der Ernststraße in Borsigwalde durchgezogen.

Ganz empört schrieb mir Klaus Bücher dazu: „Reinickendorf hat seit Jahrzehnten Nachholbedarf an Fahrradwegen. Falls überhaupt vorhanden, sind diese in einem völlig maroden und gefährlichen Zustand… Jetzt gäbe es die Möglichkeit, mit Hilfe des Radwegeprogramms einige dieser Radwege zu sanieren. Aber was macht das Bezirksamt Reinickendorf? Diese öffentlichen Gelder werden zweckentfremdet und dazu benutzt, Bäume abzuholzen und eine Sackgasse für parkende Autos schön glatt zu machen…. Ich fragte beim Bezirksamt nach, warum jetzt auch in der westlichen Ernststraße fast alle gesunden Bäume abgeholzt wurden. Die Antwort aus dem Bauamt Reinickendorf darauf ist aberwitzig: Wegen der Radfahrer! Das Geld dafür kommt auch noch aus dem Radwegeprogramm!!!! Das ist absurd und nicht zu glauben. Natürlich muss wegen keinem Radfahrer auch nur ein Baum abgeholzt werden, denn der Fahrradverkehr verbraucht sehr wenig Platz. Außerdem hätte man, wäre es um einen Radweg gegangen, ein Stück von dem gigantischen Parkplatz direkt neben der Ernststraße dafür nutzen können. Aber anscheinend ist Bäume-Abholzen der Reinickendorfer Beitrag zum Mobilitätsgesetz. Der Trick: Man will eine glatte Straße für Autos schaffen, obwohl das eine Sackgasse ist, also eigentlich nur für parkende Autos auf beiden Straßenseiten da ist. Fahrradweg? Fehlanzeige. Jetzt parken dort auch Autos, so dass die Straße zu schmal wird. Das ist anscheinend der Grund, dass die Bäume dort abgeholzt wurden: Um die Straße zu verbreitern.“

Ich drückte Kathrin Schultze-Berndt, der zuständigen Dezernentin, gegenüber auch mein Unverständnis aus. Sie schrieb mir: „Die Bäume auf der Nordseite der Ernststraße zwischen Berliner Straße und Wendekehre mussten leider in Vorbereitung für ein Straßenbauvorhaben (was für eines, blieb offen, apz) gefällt werden. Bei einem Teil der Bäume wurden auch bereits erhebliche Vorschädigungen im Stamm- und Kronenbereich festgestellt. Die Ernststraße ist eine wichtige Verbindung für Radfahrer. Gegenwärtig weichen die Radfahrer regelmäßig unzulässiger Weise in beiden Richtungen auf den nördlichen Gehweg aus und gefährden damit die Fußgänger. Aus diesem Grund hat die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz dafür votiert, zur Verbesserung der Nutzbarkeit aus dem Radwegprogramm den Austausch des zur Zeit vorhandenen Fahrbahnbelages aus unregelmäßig geschlagenem und sehr unebenem Großpflaster gegen einen Asphaltbelag zu finanzieren. Die örtliche … Situation … (ließ) eine einfache Überbauung auch hinsichtlich einer Dauerhaftigkeit nicht zu. So ist es erforderlich, den Oberbau komplett zu erneuern. Dieses bedeutet einen Eingriff in die Straße bis in eine Tiefe von ca. 50 cm. Damit verbunden ist die unvermeidbare Kappung der in die alte Fahrbahn direkt unterhalb der Pflastersteine hinein gewachsenen Wurzeln der Straßenbäume auf der Nordseite der Straße, was ihnen die Standsicherheit genommen und damit eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zur Folge gehabt hätte… Im Anschluss an die Erneuerung der Fahrbahn werden auf dem nördlichen Gehweg neue Straßenbäume gepflanzt. Diese erhalten einen entsprechenden Wurzelschutz, so dass eine erneute Verwurzelung in den konstruktiven Teil der Straße vermieden wird. Wir bedauern, dass unter Abwägung aller projektbezogenen Gesichtspunkte hier eine Fällung der Straßenbäume nicht vermieden werden konnte.“

Fotos: Büchner/Google Street View

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