Kiezkamera
Veröffentlicht am 28.10.2020 von Gerd Appenzeller
Zum Abschied von TXL ein interessantes Fundstück aus dem Tagesspiegel. Diesen Text hat mein Kollege Markus Hesselmann im Archiv des Tagesspiegels gefunden – hier ein Foto davon. Darin geht es um die Eröffnung des neuen Flughafens im Herbst 1974, um Lärmproteste der Anwohner von Spandau und Reinickendorf und Kritik an der Busanbindung.
Erschienen ist der Text am 27. Oktober 1974, es war offenbar kühl, das Kind rechts trägt eine warme Mütze. Gemeinsam mit den Eltern erkunden die Berliner die neue Haupthalle mit der markanten Abflugtafel in „Tegel Süd“, wie der neue Flughafen genannt wurde. „Tegel Nord“ gibt es ja auch noch, sogar länger: Air France war die erste zivile Fluggesellschaft, die dort gelandet ist, und sie wird auch die letzte sein, die von dort am 8. November abhebt: Am 2. Januar 1960 rollte erstmals eine Air–France-Maschine über die Landebahn des Flughafens, der bis dato nur militärisch genutzt wurde.
Hier Auszüge aus dem Tagesspiegel-Text, mit dem alles begann in TXL, damals im Jahr 1974.
„Vom künftigen Zentralflughafen West-Berlins in Tegel-Süd haben viele Berliner gestern zwar noch nicht Besitz ergriffen, ihn jedoch am ersten Tag der Offenen Tür gründlich in Augenschein genommen.
Der gigantische 413-Millionen-Mark-„Drive-in-Airport“ der kurzen Wege, am Mittwoch offiziell mit Prominenz eröffnet, zeigte sich dabei auch als Bau-Monstrum mit verwirrenden und teilweise verschlossenen Wegen. Wegweisertransparente mit zahlreichen Symbolen werden aber in Zukunft sicher den Fluggästen schnell und deutlich den Weg weisen. Den Besuchern aber waren sie gestern noch keine Hilfe auf einem gezielten Rundgang.
Die Wegweiser durch das Gebäude, als Faltblatt ausgedruckt, waren um 11 Uhr am Informationsstand bereits ausgegangen, die Hostess und ihr Kollege wussten nichts von einer Air-France-Plakatausstellung anlässlich dieses Tages, und auch die Bedarfsfluggesellschaft Aero America – in Berlin neu am Markt — hatte Hostessen-Probleme. Während der Berliner an der Flugsteig-Brücke 3 sich sagte, „da stelle ich mir nicht an“, stellte die junge Dame sich unwissend: Auf Fragen wusste sie nicht, dass ihre Gesellschaft eine Boeing 720 ausgestellt hat.
Die Anfahrt mit dem Bus vom Zoo zum Flughafen Tegel-Süd dauert rund 25 Minuten. Auf Kritik zahlreicher Fahrgäste stieß gestern aber das zu häufige Umsteigen von ihren „Kiez“ aus.
Eine Podiums-Diskussion, zu der gestern die Berliner Flughafen-Gesellschaft acht gegen Fluglärm protestierende Bürgerinitiativen aus Spandau und Reinickendorf eingeladen hatte an der in der abseits gelegenen Frachthalle Senatsvertreter und Flughafen-Hausherren teilnehmen sollten, fand nicht im erwarteten Umfang statt. Die Berliner Flughafen-Gesellschaft hatte keine Hinweise auf diese Diskussion gegeben.
Die Vertreter der Bürgerinitiativen wollten so abseits des Publikumsgeschehens und völlig isoliert in der Frachthalle dann auch keine Argumente austauschen Sie wollten nicht als Alibi dienen. Auf Flugblättern forderten sie Nachtflugverbot vor 22 bis 7 Uhr, Streichung der Flug-Subventionen und einen Ausbau der Transit-Schienenwege von und nach West-Berlin.
Das Bier im Restaurant für 2 Mark 50, die Bockwurst für zwei Mark, da ist am Tag der Offenen Tür in Tegel-Süd der Preis von einer Mark für eine Tasse Kaffee beinahe sozial.
Zu sehen gibt es einen modernen Flughafen mit Fluggast-Brücken direkt an das Flugzeug. Tonfilme über Sicherheitsmaßnahmen ergänzen das Besichtigungsangebot wie auf dem Vorfeld eine umfassende Fahrzeugschau: Rettungs- und Hilfsfahrzeuge, Schneeräum- und Kehrmaschinen und sogar eine alte Feuerwehr aus dem Jahre 1911.“
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Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Reinickendorf. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de (und natürlich auch für jeden anderen Berliner Bezirk)
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