Kiezkamera

Veröffentlicht am 07.07.2021 von Gerd Appenzeller

Was wir hier sehen, sind drei Menschen, die ganz fröhlich wirken und ein bisschen aufgekratzt. Sie haben offenbar eine Urkunde erhalten, eine junge Frau hält einen großen Blumenstrauß in der Hand und schaut zum Dritten in der Runde, der ein Mikro in der Hand hält. Seine Unterarmmuskulatur wirkt so, als könne er auch deutlich schwerere Gegenstände ohne große Mühe in der Hand halten. Auch der Mann in der Mitte des Trios wirkt nicht wie einer, der den ganzen Tag nur am Schreibtisch sitzt. Dürfen wir vorstellen: es sind, von links, Murat, Cem und Mary.

Die drei sind Streetworker, das heißt, sie kümmern sich vorwiegend um jüngere Menschen, die meist nicht in einer besonders luxuriösen Umgebung leben. Entdeckt habe ich die drei im Märkischen Viertel, am Senftenberger Ring, neben dem Skateplatz.

Tatsächlich haben sie einen Preis bekommen, aber stellvertretend für eine Idee, oder eine Organisation, die „Gangway“ heißt und sich um Straßensozialarbeit in Berlin kümmert. Finanziert wird das ganze vom Senat und vom Bezirk Reinickendorf. Das Projekt, das vom Bezirksamt als preiswürdig erachtet wurde, heißt „Toolbox“. Diese Toolbox gibt es seit 2017, und dass sie sich so gut etablieren konnte, liegt auch an der Hilfe von Mary und Cem und Murat, aber vor allem an den Jugendlichen, die sich in den Zelten der Toolbox am Skateplatz um Probleme und Wünsche ihrer Altersgenossen kümmern.

In der Toolbox werden Fahrräder repariert oder Inlineskats, Roller, kurz, alles was Räder hat. Für viele Kids im Märkischen Viertel ist es alles andere als selbstverständlich, ein Fahrrad oder ein gutes Skateboard zu besitzen. Geld für Reparaturen abzuzweigen, ist für die meisten unmöglich. Da hilft die Toolbox. Hier machen Mädchen und Jungs Kaputtes wieder ganz, kostenlos. Wer Interesse hat, kann selbst mithelfen. Eine tolle Idee!

Eine genauso tolle Idee hat im Zelt daneben Platz gefunden: Hier werden Skateboards und Inliner, aber auch Fahrräder, ausgeliehen, auch wieder kostenlos. Man hinterlässt seine Adresse und seine Handynummer, und gibt ein Pfand, und dann geht es los, nebenan auf dem Skateplatz. Und natürlich gibt es Kopf- und Knieschutz, denn Beton ist hart…

Seit Corona gibt es auch noch ein drittes Zelt. „Hygiene“ steht darüber. Hier kann man sich die Hände desinfizieren, bevor etwas ausgeliehen wird, und hier werden auch kleinere Blessuren versorgt. Von Montag bis Freitag ist die Toolbox besetzt, sind Mary oder Cem oder Murat vor Ort. Am vergangenen Freitag wurde der Preis verliehen. Sozialstadtrat Uwe Brockhausen und Karin Hiller-Ewers, die Vorsitzende des Integrationsausschusses des Bezirks, beide SPD, nahmen die Ehrung vor, und viele Kinder waren dabei, aber auch viele Mütter. Die begleiteten das Angebot der Streetworker und der Toolbox mit großer Anteilnahme, konnte ich beobachten. Wenn Sie mal vorbeikommen, holen Sie sich doch etwas Infomaterial, das gibt es in einem vierten Zelt. Und vielleicht sprechen Sie ja auch Mary Brehmer, Murat Drayef und Cem Pancar mal direkt an – alle drei erzählen nämlich gerne von diesem Projekt, und ich hatte den Eindruck, dass sie auf eine stille Art auch stolz sind auf das, was da seit 2017 geschaffen wurde.