Namen & Neues
Tegel ohne Karstadt - und ohne Ende Fragen
Veröffentlicht am 24.06.2020 von Gerd Appenzeller
Als Investor Harald Gerome Huth im Januar 2017 seine Pläne für den Bau des Tegel-Center vorstellte, waren 300 Zuhörer gekommen. Die Perspektive, aus dem wegen der Markthalle zwar äußerst beliebten, aber ansonsten etwas herunter gekommenen Kiez ein attraktives Einkaufszentrum machen zu können, regte die Phantasie aller an, auch die Huths selbst. Er sagte wörtlich: „Dieses Center wird nicht von Touristen leben, sondern von Einheimischen – die kann man gewinnen, oder vergrätzen“.
Und dann verkündete er, dass er den Eigentümer von Karstadt, den er persönlich kennen würde, davon habe überzeugen können, in Tegel die erste Neueröffnung eines Kaufhauses seit 30 Jahren zu realisieren. Von 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche war die Rede, von Peek und Cloppenburg und „namhaften deutschen Filialisten“. Die Markthalle werde bleiben, sie solle nicht zur „Nobelkiste“ umgestaltet werden. Und dann sagte er noch diesen Satz: „Wir sind spezialisiert für Dinge, die andere 20 Jahre nicht hinbekommen haben.“ Als Architekten gewann Huth sowohl Max Dudler als auch das Büro Ortner & Ortner, international hoch angesehene Fachleute.
Wenn ich das heute noch einmal zitiere, dann nicht aus Häme, sondern um dran zu erinnern, mit welch großen Hoffnungen der ganze Um- und Neubau begleitet wurde – und wird. Denn inzwischen kam ja auch noch die vielversprechende Nachricht, durch einen neuen Standort der Deutschen Rentenversicherung würden mehr als 1000 neue Arbeitsplätze entstehen – Arbeitsplätze von Menschen mit einem gesicherten, ordentlichen Einkommen. Alles potentielle Kunden auch eines neuen Warenhauses.
Es ist nicht nur graue Theorie, zu überlegen, ob Karstadt auch dem eigenen Betriebsrat gegenüber die als notwendig erachtete Schließung des Kaufhauses im Wedding nicht mit der Hoffnung auf die Neueröffnung wenige Kilometer entfernt, an der gleichen U-Bahnlinie, hätte verknüpfen können. Schließlich hätten jene Frauen und Männer, die heute am Leopoldplatz arbeiten, einfach nur ein paar U-Bahnstationen weiter zum neuen Standort fahren müssen. Aber das war wohl zu weit gedacht. Über die aktuelle Situation hat der Tagesspiegel heute auch ausführlich berichtet – hier der Tagesspiegel-Link.
Bürgermeister Frank Balzer, CDU, sagte jetzt zur neuen Lage: „Uns liegen dazu noch keine offiziellen Stellungnahmen von Karstadt Kaufhof vor. Nach den beunruhigenden Medienberichten habe ich heute mit dem Investor für den Umbau an der Gorkistraße, HGHI-Inhaber und Geschäftsführer Harald Gerome Huth, telefoniert. Auch er hat diesbezüglich noch keine offiziellen Entscheidungen auf dem Tisch. Allerdings bestätigte er, dass es in jüngster Zeit bereits Vorwarnungen gegeben habe. Sollten sich die Informationen … bestätigten, wäre dies für den Standort Gorkistraße natürlich eine sehr schwierige Situation. Schließlich sollte Karstadt dort der Ankermieter sein. Das Bezirksamt wird mit den Beteiligten gemeinsam beraten, was getan werden kann, um die vorhandenen Verkaufsflächen neu zu verplanen und möglichst attraktiv zu nutzen.“
Der Tegeler CDU-Abgeordnete Tim-Christopher Zeelen meint: „Die Absage von Karstadt ist für Tegel ein Verlust. Viele Menschen haben sehnsüchtig auf die Rückkehr von Karstadt nach Tegel gewartet. Es wird eine Herausforderung, diese große Ladenfläche kurzfristig anderweitig zu vermieten. Ich bin optimistisch, dass Harald Huth eine gute Lösung findet, diese Fläche zum Wohle Tegels zu bespielen. Er verfügt über viel Erfahrungen und gute Kontakte in diesem Geschäft“.
Sein sozialdemokratischer Kollege, der Reinickendorfer Abgeordnete Jörg Stroedter, wertet den Sachstand so: „Die geplante Nicht-Eröffnung von Karstadt am Standort Tegel ist eine sehr schlechte Nachricht für unseren Bezirk. Seit mittlerweile 10 Jahren haben sich viele in der Politik, der Einzelhandel und die Medien darum bemüht, wieder ein echtes Kaufhaus nach Tegel zu bringen. Durch den Investor Huth und die Zusage von Karstadt bestand hierzu eine realistische Chance. Infolge der Corona-Krise entsteht jetzt deutschlandweit ein großer wirtschaftlicher Schaden. Es drohen Insolvenzen, Arbeitsplatzverluste und auch soziale Probleme. Deshalb ist wichtig, dass nicht nur der Bund, sondern auch der Berliner Senat die Bereiche in unserer Wirtschaft, die besonders unter den Folgen der Corona-Krise leiden unterstützt…. Bezogen auf den Standort Tegel brauchen sowohl die Gastronomie als auch der Einzelhandel durch die Absage des Ankermieters Karstadt erst recht weitere Unterstützung“.
Selbstverständlich habe ich auch Investor H. G. Huth um eine Stellungnahme gebeten. Bis zur Stunde erfolglos.