Namen & Neues
Michael Wegner und der Professorentitel
Veröffentlicht am 07.10.2020 von Gerd Appenzeller
Der Krimi um die CDU in Reinickendorf.
Die Reinickendorfer CDU plagt ein Problem. Dieses Problem haben nicht etwa die Wähler verursacht, aber wohl schon die Angst der Christdemokraten vor diesen Wählern. Es ist eine diffuse Angst. Deren Auslöser war das Gefühl, mit dem vorhandenen Personaltableau vielleicht nicht mehr erfolgreich sein zu können und deshalb rechtzeitig auf Wechsel setzen zu müssen.

Auslöser der innerparteilichen Dynamik war Frank Balzer (Foto oben), seit letztem Jahr Kreisvorsitzender der CDU und schon zuvor der mächtigste Mann der Partei in Reinickendorf. Er löste Frank Steffel (Foto unten) ab, welchem man auch einen Verzicht auf eine erneute Kandidatur zum Bundestag nahegelegt hatte. Steffel verstand.

Frank Balzer, der Bezirksbürgermeister, regelte zudem gleich die potentielle Nachfolge für den Bundestag, als er Monika Grütters, die Staatsministern für Kultur, von einer Kandidatur in Reinickendorf überzeugte. Auch das hat einen Hintergrund: Damit verhinderte Balzer vermutlich einen Wettlauf von Aspiranten aus dem eigenen Kreisverband um das attraktive Mandat – einen Wettlauf, dessen Ausgang er nicht unter Kontrolle haben würde.

Balzer aber sorgte nicht nur für die Nachfolge von Steffel, sondern kümmerte sich auch um die eigene. Der Bezirksbürgermeister strebt 2021 ins Abgeordnetenhaus. Dazu muss er sich selber um ein Mandat und um einen Wahlkreis bemühen. Letzteren nahm er dem derzeitigen Abgeordneten für Hermsdorf und Frohnau, Jürn Jakob Schultze-Berndt, ab. Dem wurde zum Verhängnis, dass er dem Steffel-Lager zugerechnet wird, und das wird derzeit aus der Reinickendorfer CDU geradezu systematisch vergrault. Seine Frau, die Bezirksstadträtin für Bauen und Kultur, Katrin Schultze-Berndt, hatte sich Hoffnungen auf die Balzer-Nachfolge im Rathaus gemacht. Dumm nur, dass sie ebenfalls der Steffel-Gruppe zugerechnet wird.
Dirk Steffel, der sehr eigenständige Bruder von Frank, und Vorsitzender der Tegeler CDU seit 22 Jahren, bekam zwei Tage nach einer schweren Herz-OP telefonisch mitgeteilt, dass seine „politische Zeit vorbei“ sei. Überbringer der Botschaft: der stellvertretende Kreisvorsitzende und CDU-Abgeordnete für Lübars und das Märkische Viertel, Michael Dietmann – der bislang vor allem durch seine äußerst geringe Präsenz im Parlament von sich reden machte. Auch auf der Opferliste: Tim-Christopher Zeelen und Tobias Siesmayer, der Vorsitzende der CDU-BVV-Fraktion. Siesmayers Pech: Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei MdB Frank Steffel.

Frank Balzers Kandidat für die eigene Nachfolge, Michael Wegner, 62 Jahre alt, Unternehmer, ist im Bezirk nicht unbekannt, weil der zwischen 1999 und 2006 Bezirksstadtrat für Bauen und Grundstücksmanagement gewesen ist. Dem promovierten Nationalökonomen käme das auch wegen seiner Altersversorgung zupass: Ihm fehlt noch ein Jahr in öffentlichen Ämtern, um die für eine Pension notwendigen acht Dienstjahre zusammen zu bekommen.
Im Gegensatz zum Doktortitel von Frank Steffel – der wurde ihm im vergangenen Februar wegen Plagiates aberkannt – ist an dem von Michael Wegner kein Makel. Aber wie ist es bei dem Professorentitel, mit dem er sich schmückt? Den hat ihm, so sagt er, die kleine rumänische Universität Pitesti verliehen. Dort freilich weiß man nichts davon, ergab eine Rückfrage der Wissenschaftsredaktion des Tagesspiegels. Lorenz Maroldt hat das Thema erstmals am Montag im „Tagesspiegel Checkpoint“ aufgegriffen, hier ist der Link dazu: „Will die CDU einen falschen Professor zum Bürgermeister machen?“

Der designierte Nachfolger von Frank Balzer als Bezirksbürgermeister, Michael Wegner, wird auch auf der Homepage der Reinickendorfer CDU (Stand gestern 14:38) mit einem Professorentitel genannt. Recherchen der Redaktion des Tagesspiegels haben Zweifel ergeben, ob er diesen, angeblich von der rumänischen Universität Pitesti verliehenen, Titel zu recht trägt. Er selber hatte sich gegenüber dem Tagesspiegel so geäußert: „Zwischen der Staatlichen Universität Pitesti und mir wurde im März 2009 eine Vereinbarung geschlossen zur „Durchführung von Bildungsprojekten für die Studenten der Universität Pitesti … für den Bereich Wirtschaftswissenschaften…“. Die Definition meiner Aufgabe lautete gemäß Vereinbarung, „mit den Studenten Lehraktivitäten durch(zu)führen … im Hinblick auf die Vorbereitung der Studenten für die Teilnahme an Ausbildungspraktika .. in anderen EU-Ländern.“ Die Vereinbarung wurde zunächst für fünf Jahre geschlossen und verlängerte sich danach um ein weiteres Jahr“.
Rein rechnerisch wäre diese Vereinbarung also mit dem März 2015 ausgelaufen. Eine Anfrage des Tagesspiegels, ob und wenn ja, seit wann Wegner Honorarprofessor ist und welche wissenschaftlichen, beruflichen oder sonstigen Leistungen er als „Profesor de onoare“ (Rumänisch) hätte erbringen müssen, beantwortete Corina Amelia Georgescu, Vizepräsidentin der Universität für Internationales, folgendermaßen: „Ich konnte Herrn Michael Wegner nicht in den Aufzeichnungen finden, die uns für die vergangenen zehn Jahre zur Verfügung stehen.“
Was folgt daraus? Selbst wenn Wegner der Titel eines Honorarprofessors in Pitești vor längerer Zeit verliehen worden wäre (und die Uni dies heute nicht mehr nachvollziehen kann oder will), müssten sich in jüngerer Zeit Hinweise auf eine Lehrtätigkeit finden. Denn sonst dürfte Wegner den Titel nicht führen.
Zwei andere Fälle lassen womöglich Rückschlüsse auf Wegners Verbindung mit der Universität Pitești zu. Zum einen wurde 2016 ein Diplomsportlehrer, der ein Fitnesscenter in Halle/Westfalen betreibt, an die Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld berufen. Der Fitness-Unternehmer wurde an der Sporthochschule Köln promoviert – und 2008 „erhielt er für besondere Verdienste um die Förderung von Bildungsprojekten von der Universität Pitesti eine Honorarprofessur“ (Pressemitteilung der FHM). Die Formulierung „Förderung von Bildungsprojekten“ legt nahe, dass es sich um eine Spende an die Universität handeln könnte, für die der Unternehmer mit einer Honorarprofessur belohnt wurde. (Diese Formulierung steht ja auch in Michael Wegners Antwort auf die Nachfrage des Tagesspiegels).
Zum anderen hat sich das Landgericht Baden-Baden in seinem Urteil vom 03.11.2010 (4 O 54/10) mit einem niedergelassenen Zahnarzt beschäftigt, der sich als „Professor“ bezeichnete. „Die rumänische Universität Pitesti hatte ihm eine entsprechende ,Diplomurkunde‘ verliehen“, berichtete im Juni 2011 das www.dimagazin.de, ein implantologisches und parodontologisches Portal, das Fachartikel, Produktvergleiche und News aus der Dentalindustrie bietet. „Das Gericht hat dem Zahnarzt das Führen der Bezeichnung „Professor“ untersagt. Die Universität verfügt über keine (zahn-) medizinische Fakultät und auch weitere Voraussetzungen zum Führen eines Professorentitels in Deutschland waren nicht erfüllt“, heißt es dort. – Text: Gerd Appenzeller

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