Namen & Neues
Waldseeviertel: Anwohner sollen diskutieren
Veröffentlicht am 17.02.2021 von Gerd Appenzeller
Dieses Thema ist seit Monaten heiß – aber jetzt könnte es richtig brenzlig werden. Es geht um die Verkehrsführung im Hermsdorfer Waldseeviertel. Das Bezirksamt hat zu einer Online-Anwohnerversammlung für den 25. Februar eingeladen. Teilnehmen können nur die durch die vorgeschlagene Verkehrsregelung betroffenen Bürger. Da die Gegensätze sich unvereinbar gegenübersehen, hat das Bezirksamt ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darin wird ein System von Einbahnstraßen mit je nach Tageszeit wechselnden Richtungen vorgeschlagen.
Was ist das Problem? Durch das einstmals verschlafene Waldseeviertel rollt morgens und abends der Berufsverkehr aus und nach Glienicke. Die Menschen, die dort seit Jahrzehnten leben, freuen sich auf der einen Seite, dass Richtung Glienicke keine Mauer mehr steht, sondern dass man dort einkaufen, Arzttermine wahrnehmen oder die Kinder zur Schule schicken kann. Und sie ertragen den Verkehrslärm.
Und dann gibt es die andere Seite. Viele Menschen sind erst nach dem Fall der Mauer in dieses Viertel gezogen. Weil es eben keine Sackgasse vor der Mauer mehr, und weil es trotzdem so schön ruhig ist. Aber das sind zwei Dinge, die sich nicht vereinbaren lassen: Ruhig wie in einem Villenviertel leben, aber auch schon fast mittendrin zu sein. Toll wäre es, wenn man den Autoverkehr einfach verbieten könnte. Meinen die einen. Geht gar nicht, sagen die andern. Wir wollen keine neuen Mauern.
Und natürlich mischen sich die Alteingesessenen und die Neu-Waldseer in ihren Vorlieben und Abneigungen. Vor allem die Schildower Straße und die Bertramstraße sind die beliebtesten Pendlerstrecken Richtung Hermsdorfer Damm und B 96 geworden. Denn die ist ab Frohnau nicht mehr in der Lage, den Berufsverkehr aufzunehmen.
Deshalb kürzen die in Glienicke lebenden Pendler gerne ab – durch das Waldseeviertel. Die Menschen, die in Lübars wohnen, haben mit den Pendlern aus Schildow und Blankenfelde übrigens ganz ähnliche Probleme …
Zwei Bürgerinitiativen beharken sich seit Monaten. Beide gewinnen ihre Argumentationskraft und ihre verbale Schlagfertigkeit aus dem gleichen bürgerlichen Bildungsmilieu. Weil sie sich so ähnlich sind, können sie sich kaum ertragen. So genannte Modalfilter, die den Autoverkehr fern halten, hätten nach dem Willen der BVV erprobt werden sollen. Senatsverkehrsverwaltung und Rechtsamt des Bezirks halten das aber für unzulässig. Deshalb wird den Anwohnern des Waldseeviertels jetzt am 25. Februar eine Online-Anwohnerversammlung angeboten. Sie sollen über eine weitere Variante diskutieren.
Ein System von Einbahnstraßen, deren Richtung am Morgen und am Abend jeweils umgekehrt ist, soll den Verkehr kanalisieren. Am Morgen geht es auf der Schildower Straße und der Bertramstraße sowie dem Hermsdorfer Damm zwischen Elsestraße und B 96 nur stadteinwärts. Am Abend kehrt sich die Streckenführung um. Weil dieses Thema natürlich nicht nur in Hermsdorf interessiert, können Sie sich unter diesem Link des Reinickendorf-Newsletters die Karten anschauen, die den Anliegern zur Verfügung gestellt wurde.
Noch ein grundsätzliches Wort: Dass die Lage im Waldseeviertel ist, wie sie ist, kann man – entschuldigend – als Folge jener Stadt-Umland-Probleme betrachten, die es überall gibt. Die Menschen ziehen in die Vororte, weil man dort billiger lebt, arbeiten aber weiter im Zentrum. Was aber im Berliner Umland und in seiner Wechselbeziehung zu den Randbezirken der Stadt passiert, ist jedoch auch ein Ergebnis planerischen und politischen Versagens:
- 1. Es fehlt an den Brandenburger S-Bahnhöfen an Park-and-Ride-Parkplätzen
- 2. Die Fahrplandichte der S-Bahnen ist ungenügend. Wegen fehlender zweiter Gleise ist ein dichterer Zugtakt nicht möglich. Der Bahn fehlen Wagen. Zahlen müssten die Länder, die den Verkehr in Auftrag geben
- 3. Die Ausdehnung des AB-Bahntarifs ins Brandenburger Umland würde die Pendler animieren, das eigene Auto stehen zu lassen. Dann aber müssten Berlin und Brandenburg der Bahn den Einnahmeausfall ersetzen. Vor dem Thema drücken sich aber beide Landesregierungen
- 4. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Bundesländern ist ungeachtet aller Versprechungen ungenügend. Das hängt nicht nur mit der parteipolitisch unterschiedlichen Zusammensetzung der Landesregierungen zusammen.