Namen & Neues
Es stinkt in der Cité Guynemer
Veröffentlicht am 24.02.2021 von André Görke
Aber dagegen gibt es eine Lösung. Eigentlich ist das ein schönes Wohngebiet, im Nordosten des Flughafens Tegel: Alter Baumbestand, eine Mischung aus kleineren Mietblöcken und Einfamilienhäusern, eine von den Franzosen angelegte Siedlung aus der Nachkriegszeit. So sieht das aus der Luft bei Google Maps aus.
Wie alle ehemaligen alliierten Grundstücke in Berlin, fiel auch die Cité Guynemer nach der Deutschen Einheit und dem Abzug der Alliierten an die Bundesrepublik Deutschland. Für die verwaltet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die Bima, den Grund und Boden. In den Jahren 2007 bis 2009 verkaufte die Bima einen Teil des Areals an private Investoren. Dass es unter den damaligen Erwerbern oder ihren Nachfolgegesellschaften Insolvenzen gab, kompliziert die Lage nun.
Hinzu kommt, dass die Alliierten sich nicht an deutsche Vorschriften über die Verlegung von Leitungen, etwa für Abwasser, hielten. Mit dem Ergebnis, dass niemand für deren Unterhalt zahlen möchte. Zum Teil laufen sie nicht parallel zu den Straßen, sondern querfeldein. Und da auch weiter Baugenehmigungen erteilt wurden (der Bezirk sagt, er durfte diese nicht verweigern), wuchs das Abwasserproblem. Im SPD-dominierten Senat und dem CDU-dominierten Bezirk schob und schiebt man sich bis heute die Schuld für die verfahrene Situation gegenseitig zu. Am Ende werden nur Gerichte entscheiden können.
Aber zumindest teilweise zeichnete sich jetzt eine Lösung ab. Mit der Aufhebung der Verkehrspflicht für den Flughafen Tegel im Mai geht die Verantwortlichkeit für das Gelände und auch für den restlichen Besitz der Bima in der Cité Guynemer an den Bund über. Die Bima nämlich hatte nur einen kleinen Rest der ehemaligen Cité Guynemer für sich behalten. Das sind die beiden Straßen Avenue Jean Meroz und Rue du Commandant Jean Tulasne.
Wenn man weiß, dass diese beiden Zufahrten zur Seidelstraße unter dem Begriff „Protokollstrecke“ laufen, weiß man, warum der Bund die bis heute behielt, genauer: So lange an deren Ende der Regierungsflughafen lag.
Der Bund hatte nämlich ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber der Fähigkeit des Landes Berlin, diese Strecke zu jeder Tages- und Nachtzeit in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten…
Was die Bima wohl weniger interessierte, für die Anwohner aber von großer Bedeutung ist: Unter diesen Straßen liegen ein zentraler Abwasserkanal und eine Pumpstation. Beide müssen dringend erneuert werden, sonst wird sich an der prekären Situation der Bewohner des Gebietes nichts ändern. So lange das aber die Protokollstrecke war, konnte man sie nicht aufreißen.
Die Rettung naht jedoch – und zwar durch die Berliner Wasserbetriebe, die BWB. Deren Sprecher, Stephan Natz, erklärte mir auf meine Rückfrage hin: Wenn sich die Bima mit dem Bezirk über die öffentliche Widmung vor allem der Avenue Jean Meroz einigt, werden die BWB einen ordentlichen Kanal und ein Pumpwerk bauen. Das sei technisch notwendig, weil die vorhandene Infrastruktur ungenügend ist. Die der Seitenstraßen hingegen sei „okay“. Und zahlen müssten das alles die Anlieger nicht. Die ganze Cité Guynemer sei, so sagte mir Stephan Natz noch, ähnlich wie eine frühere Kleingartenanlage: Durch Siedlungsdruck entsteht die Notwendigkeit zum Ausbau. Und wenn der Ausbau nicht erfolgt, dann schwimmt eben irgendwann im Keller, was in den Kanal gehört. Für den Unterhalt der beiden Straßen muss dann aber der Bezirk sorgen – bislang macht das ja, wie erwähnt, der Bund.
Was geschah eigentlich mit übrigen Besitzungen der ehemaligen Alliierten? Dazu befragte ich Thorsten Grützner von der Bima aus Bonn. Der kramt ein wenig in der Vergangenheit des bundeseigenen Unternehmens und erzählte dies:
Die ursprünglich US-amerikanischen Siedlungen an der Clayallee wurden alle verkauft. Auch die einst von britischen Alliierten bewohnten Häuser in Gatow in der Nähe des dortigen ehemaligen Flughafens sind privatisiert. Lediglich in Düppel hat der Bund Wohnungen behalten und umfangreich ausgebaut. Das war eine Reaktion auf den veränderten Wohnungsmarkt in Berlin. Da die Wohnungsnot unverkennbar sei (Zitat: Das Land Berlin ist der schlechteste Partner für Wohnungsbau in Berlin) investiere der Bund jetzt intensiv in den Wohnungsbau. Früher sei das anders gewesen, da habe der Bund alles verkauft, um Geld in die Kasse zu bekommen.
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