Namen & Neues

Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen

Veröffentlicht am 05.01.2022 von Lisa Erzsa Weil

Deutschland dient vielen Ländern als Vorbild, wenn es um Erinnerungskultur geht. Dass diese aber auch nach hinten losgehen kann, zeigt das Ergebnis der Nachforschungen von Felix Sassmannshausen. Der Politologe und freie Journalist hat die Namen von 10.000 Straßen und Plätzen in Berlin auf ihre antisemitischen Bezüge untersucht.

Das Ergebnis: In 290 Fällen – 28 davon in Reinickendorf – stellt er fest, dass Straßen- und Platznamen weiterhin an Menschen erinnern, die antisemitische Ansichten hatten. Die Studie wurde von Berlins Antisemitismusbeauftragtem Samuel Salzborn initiiert und in einem Dossier der Landesstelle für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung (LADS) vorgestellt. In jedem Fall wurden Kontext, ermittelter Wissensstand, Quellen und eine Handlungsempfehlung angegeben, die von weiterer Forschung über Kontextualisierung (z.B. per Plakette am Straßenschild) bis zu Umbenennungen reicht. Wie Sassmannshausen auf Twitter schreibt, seien Umbenennungen allein jedoch nicht ausreichend. Er wünsche sich, dass die Untersuchung zu einer politische Debatte führt. Antisemtische Bezüge haben unter anderem im Bezirk:

  • Avenue Charles de Gaulle in Wittenau: Der französische Präsident, Politiker und General Charles de Gaulle (1890-1970) artikulierte während des sechs-Tage-Krieges antisemitische Ressentiments. Handlungsempfehlung: Forschung.
  • Dahnstraße in Reinickendorf: Der Schriftsteller und Historiker Julius Sophus Felix Dahn (1834-1912) war im völkisch-antisemitischen Alldeutschen Verband aktiv. Handlungsempfehlung: Recherche, Kontextualisierung, gegebenenfalls Umbenennung.
  • Fürst-Bismarck-Straße in Waidmannslust: Benannt nach Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898), ab 1871 Reichskanzler des Deutschen Reiches. Intensive Kontakte in antisemitische Netzwerke des Kaiserreichs, opportunistisches Verhältnis zu antisemitischen Bewegungen, Ehrenmitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Handlungsempfehlung: Digitale Kontextualisierung.
  • Kettelerpfad in Tegel: Benannt nach dem Bischof von Mainz und Zentrumspolitiker Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (1811-1877). Ketteler artikulierte antijüdische Ressentiments, die in seiner christlichen Soziallehre begründet lagen. Handlungsempfehlung: Kontextualisierung.
  • Martin-Luther-Straße in Hermsdorf: Benannt nach dem Theologen und Reformator Martin Luther (1483-1546). Dieser verfasste antijüdische Schriften und war prägend für die weite Verbreitung des christlich motivierten Antijudaismus. Handlungsempfehlung: Umbenennung.