Namen & Neues

So war die Bezirksverordnetenversammlung letzte Woche

Veröffentlicht am 22.06.2022 von Lisa Erzsa Weil

Rückblick auf die BVV vergangenen Mittwoch, zu der sich die Bezirksverordneten wieder online trafen. Hier nochmal die Tagesordnung zum Nachlesen, hier die aufgezeichnete Sitzung. Einige wichtige Punkte:

Per Dringlichkeit wurde von der CDU-Fraktion (Felix Schönebeck, Marvin Schulz) eine Verlängerung für die Sondergenehmigungen für erweiterte Schankvorgärten für die Gastronomie in Reinickendorf ersucht – dem wurde in der BVV zugestimmt. Damit können Gastronomen während der Corona-Pandemie genehmigte zusätzliche Außenflächen auch über den 30.06. hinaus bis mindestens Jahresende nutzen, und auch die Nutzungsgebühren werden für dieses Jahr erlassen.

In einer Großen Anfrage erkundigte sich die AfD-Fraktion (Rolf Wiedenhaupt, Arnim Hoffmann) beim Bezirksamt unter anderem, wie man „die aktuelle Lage der in Reinickendorf ansässigen Wirtschaftsbetriebe vor dem Hintergrund gestörter Lieferketten, der Sanktionen gegenüber Russland, der Inflation und gestiegener Energiekosten“ beurteile. Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen (SPD) sprach in seiner Antwort davon, dass die wirtschaftliche Lage insgesamt angespannt und schlechter als noch zu Anfang des Jahres einzuschätzen sei. Steigende Preise, Lieferprobleme und Auswirkungen aufs Konsumklima könnten auch den produktionsgeprägten Wirtschaftsstandort Reinickendorf vor Herausforderungen stellen. Aus Gesprächen mit Gewerbetreibenden wisse man, dass eine von Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH initiierte Umfrage auch im Bezirk gelten könne: Knapp ein Fünftel der befragten Unternehmen spüre direkte Auswirkungen auf den Umsatz, 30% seien von Lieferkettenproblemen betroffen, ein Drittel erwarte Auswirkungen in Folge von SWIFT-Einschränkungen, Umsatzausfälle seien insgesamt zu erwarten. Unternehmen, die u. a. von Lieferkettenproblematiken, Inflation, steigenden Energiepreisen und Fachkräfteproblematik betroffenen seien, gäbe es auch in Reinickendorf. Auf Bundesebene müsse nun an alternativen Lieferwegen gearbeitet werden. Die Lösung der komplexen nationalen Lage und die Bereitstellung finanzieller Unterstützungen für die Gewerbetreibenden könne aber nicht auf der kommunalen Ebene geleistet werden. Man müsse daran arbeiten, vom Import fossiler Energien wegzukommen und sich stattdessen um moderne, umweltgerechte Lösungen bemühen.

Eine Empfehlung sorgte für jede Menge Diskussionsstoff: Sie kam von den Fraktionsspitzen der Ampelparteien Bündnis 90/Die Grünen, FDP und SPD-Fraktion, es ging um “Stärkung von nichtdeutschen Erstsprachen (Muttersprachen) in der Kita. Die AfD kündigte an, den Antrag abzulehnen, da zu befürchten sei, dass dadurch die deutsche Sprache weniger gut erlernt würde und es außerdem eine Mehrbelastung in den Kitas geben könnte. Auch die CDU stimmte dagegen: Kitas würden überfordert mit dem Wunsch nach Förderung der Erstsprache von Kindern, betonte die Bezirksverordnete Lilli Selski (CDU), die auch Mitglied im Ausschuss für Integration und Partizipation ist; der Antrag sei nicht praktikabel. Bogusz Schmidt (Grüne) widersprach: Die integrationspolitische Einstellung von AfD und CDU sei veraltet. Der generelle wissenschaftliche Konsens sei, dass Förderung von Sprache in frühkindlichen Jahren auch die deutsche Sprache fördere und Sprachen nicht gegeneinander ausgespielt würden. Dana Saky (Linke) betonte, dass die Linksfraktion dem Antrag zustimmen werde. Die Förderung würde nicht zu Lasten der deutschen Sprache, sondern zusätzlich dazu gehen. Die Kinder könnten die Mehrsprachigkeit auch später im Beruf nutzen. Gerald Walk, Schul- und Ordnungspolitischer Sprecher der SPD und pensionierter Oberschulrat: “Kinder lernen in der Kita eine zweite Sprache effektiver.” Mit 31 Ja (Zählgemeinschaft + Linke) und 22 Nein (CDU + AfD) wurde der Antrag angenommen.

In ganzen elf Einwohnerfragen ging es um verschiedene Themen, unter anderem um die „Montagsdemos“ in Tegel – der fragende Einwohner befürchtet u. a. die Gründung eines „Bürgerbüros“ von den aktuellen Organisatoren der sogenannten „Montagsdemos“ und dadurch den „Aufbau dezentraler, rechter Keimzellen“. In seiner Antwort hob Bürgermeister Brockhausen hervor, dass man die Entwicklungen in Tegel mit Sorge beobachtet habe, da man kein Verständnis habe, wenn Gesundheits- und Impfschutz in Frage gestellt werden würden. Er habe – als Bürger, der von seinem Demonstrationsrecht Gebrauch mache – mehrmals an den Gegendemonstrationen teilgenommen. Das Bezirksamt wolle die weiteren Aktivitäten verfolgen und sich mit den zuständigen Behörden austauschen. Mehrere Politiker:innen, darunter Hinrich Westerkamp (Fraktionsvorsitzender Grüne) und Kai Bartosch von den Linken, lobten das Engagement der Gegendemonstranten, die Initiative von Omas gegen Rechts und erinnerten an das daraus entstandene, größere Reinickendorfer Bündnis für Solidarität und gegen rechte Unterwanderung. Bartosch sagte, dass sich die Querdenkerszene in Tegel zwar verändert habe und kleiner geworden, aber dennoch sichtbar geblieben sei. Man wolle der Bewegung keine unnötige Aufmerksamkeit geben, müsse aber die Entwicklungen wachsam beobachten und weiterhin Flagge zeigen.