Kiezgespräch
Veröffentlicht am 01.12.2021 von Lisa Erzsa Weil
Es ist traurig und macht wütend: Zwangsräumungen passieren auch in Reinickendorf, und das mitten im Winter und inmitten dieser massiven Coronawelle. Am 10. Dezember soll eine 71-jährige Mieterin ihre Wohnung verlassen. Darüber informiert das Bündnis Zwangsräumung Verhindern.
Grund: Der Vermieter hat eine Eigenbedarfsklage eingelegt und dabei vom Gericht Recht bekommen. Seine Tochter brauche die Wohnung. Die Dame hat laut Bündnis eine schwere, chronische Erkrankung, die Zwangsräumung stelle für sie eine unzumutbare Härte da. Ohnehin sei es auf dem angespannten Wohnungsmarkt für viele Menschen mit geringen Einkommen zunehmend unmöglich, eine Mietwohnung zu finden. Im Schwerstfall kann eine Zwangsräumung zu Obdachlosigkeit führen.
„Unser Ansatz ist es, die Sache öffentlich zu machen und dadurch Druck auf die Eigentümer auszuüben“, sagt Tim Riedel vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ dem Newsletter. Darüber hinaus begleiten Riedel und seine Kolleg:innen die Betroffenen beim Gang zum Bezirksamt. Das Bündnis hat zuvor versucht, mit einer Telefonaktion etwas zu bewirken – doch vergebens.
„Wir sind machtlos, denn rechtlich ist das in Ordnung“. In letzter Zeit habe es vermehrt Eigenbedarfsklagen gegeben – „die gehören eigentlich abgeschafft“, meint Riedel. „Einige Richter:innen sind auch sensibler geworden, und man kann die Klagen abwenden“. Mit einigen Tricks in der Argumentation könnten die Eigentümer ihre Klage aber durchboxen.
Weitere öffentliche Aktionen seien aber erst einmal nicht geplant. „Wir besprechen das immer mit den Betroffenen – die Dame will allerdings privat bleiben und keine Großaktion bei der Räumung.“ Auf das Thema angesprochen sagte mir der neue Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen im Interview, er und das Bezirksamt wüssten von dem Fall, seien bereits in Kontakt und bereit zu helfen.
„Um der Frau gegebenenfalls helfen zu können, ist es aber wichtig, genau zu wissen: Wie ist der Gesundheitszustand, was sind die medizinischen Details, besteht eine unbillige Härte, ist die Dame umzugsfähig, und Vieles mehr“, so Brockhausen. Damit die zuständigen Fachleute den Fall beurteilen können, sammelten sie deshalb gerade weitere Informationen.
- Apropos dringend benötigter sozialer Wohnungsbau: In diesem Plus-Text erfahren Sie, was dazu im Berliner Koalitionsvertrag steht.