Kiezgespräch
Veröffentlicht am 29.05.2024 von Valentin Petri
Wenn der nächste Starkregen kommt, könnte den Bewohnern der Mäckeritzwiesen schnell das Wasser bis zum Hals stehen. So war es 2017. Zwar nicht zum Hals, aber bis zur Haustür und in einige der kleinen Häuschen liefen die Fluten. Seitdem ringen Senat, Bezirk, Wasserwerke und Bewohner darum, wie sie die Siedlungen zwischen dem einstigen Flughafen Tegel und dem Spandauer Schifffahrtskanal regenfest machen – und gleichzeitig zu einem regulären Wohngebiet.
Von Anfang an dabei war der SPD-Abgeordnete Jörg Stroedter. Letzten Mittwoch lud er zu einem Informationsgespräch. Dutzende Siedler drängen an diesem Abend in den kleinen Saal, während über ihren Köpfen bedrohliche Regenwolken zur Eile mahnen. „Wir haben hier schon Veranstaltungen im Starkregen gemacht“, meint der einstige Reinickendorfer Chefgenosse mit Blick auf den Himmel.
Seit dem Starkregen vor sieben Jahren gibt es noch keine Lösung. „Das Gebiet ist das komplizierteste, das wir in Berlin haben, was die Regenentwässerungsproblematik angeht“, erklärt Birgit Fritz-Taute, Abteilungsleitung in der Umweltverwaltung. Eigentlich standen die Planungen schon, berichtet sie: Durch den Mäckeritzgraben sollte quer durch die Siedlung ein Rohr geführt werden und das nicht-abfließende Wasser am Ende in ein Sammelbecken führen.
„Die Planung ist nach allen Regeln der Technik perfekt, aber sie ist zu teuer.“ Also ist das Vorhaben erstmal vom Tisch. Vorgesehen sind für die Entwässerung in den Mäckeritzwiesen 1,5 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds, das auf die schöne Abkürzung SIWANA hört. „Das Geld ist fest“, verspricht Stroedter. Da habe das Parlament, also er, schon die Hand drauf.
Aber offenbar reichen die Mittel nicht für die „Porsche“-Lösung, wie die Senatsvertreterin sagt. Problem ist das Sammelbecken. Aus Naturschutzgründen könne man das nicht aus Beton bauen. Der weiche Baugrund und der hohe Grundwasserspiegel würden nur ein flaches Becken erlauben. „Dafür braucht man aber eine größere Versickerungsfläche“, erklärt Christoph Donner, Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe.
Die Bodenbeschaffenheit ist das Kernproblem für die Wiesen. Nach ein paar Metern Erde kommt schon eine Lehm-Mergel-Schicht, durch die nichts durchsickern kann. Regnet es viel in kurzer Zeit, so wie in 2017, läuft das Wasser nicht ab.
Viele der Siedler verstehen nicht, warum nach sieben Jahren immer noch nichts Sichtbares passiert ist. „Wir sitzen hier auf einem Pulverfass“, drängt eine Anwohnerin in der Runde. Klar sei man nicht der Nabel der Welt, aber es müsse etwas passieren.
Senatsvertreterin Fritz-Taute macht Hoffnung: Der größte Zeitbrocken sei geschafft. Das Bebauungsplanverfahren anzuschieben, sei die größte Hürde gewesen. „Rein rechtlich dürfte man das hier eigentlich gar nicht als Baugebiet ausweisen.“
In der Vergangenheit haben sich Senat und Bezirk gerne mal gegenseitig die Verantwortung zugeschoben. Fest steht: Zum dauerhaften Wohnen waren die einstigen Wochenendhäuschen nicht ausgelegt. Nach dem Krieg wuchsen die kleinen Lauben unkontrolliert in den Himmel. Die Behörden ließen das geschehen, schließlich wurde dringend Wohnraum gebraucht.
Anwohner Michael Lohmann hat das miterlebt. Er ist wie viele in der Siedlung Handwerker und lebt schon seit seiner Kindheit hier. Seine Großeltern waren in den 30er Jahren unter den ersten Siedlern und errichteten auf dem neu gerodeten Pachtland ein kleines Häuschen. Die Anbauten entstanden dann zumeist in Eigenarbeit. Die Häuschen wuchsen und die Menschen blieben.
„Das Bezirksamt hat sich nicht gekümmert“, sagt Lohmann. Erst in den 1990ern wurde dann eine Duldung für die Siedler ausgehandelt. Bis zu dem Starkregenereignis sei Entwässerung nie ein Thema gewesen, berichten er und andere Siedler. „Bei den Regenmassen sind wir fast verreckt.“ Mit dem Lösungsprozess ist er bisher ganz zufrieden. Lieber richtig machen und nicht übers Knie brechen.