Nachbarschaft
Veröffentlicht am 06.11.2019 von Gerd Appenzeller
Heute steht ein ganz besonderer Nachbar im Mittelpunkt des Tagesspiegel-Newsletters für Berlin-Reinickendorf: der Stolperstein. Es geht um einen Gedenktermin, die Zahl der Stolpersteine im Berliner Norden – und eine Überraschung im Wohnhaus nebenan. Aber der Reihe nach.
Die Vorgeschichte. An Wolfgang Besig, den Musiklehrer aus Frohnau, hat mein Kollege André Görke hier im Reinickendorf-Newsletter vor einer Woche erinnert. Besig wurde als Fahnenflüchtiger in der NS-Zeit zum Tode verurteilt und am 14. Juli 1942 erschossen. Seine Eltern erhielten sogar eine Rechnung für die Hinrichtung. Hier zeige ich Ihnen ein Foto von Besig und erzähle seine Geschichte.
Die Erinnerung. An Wolfgang Besig wird am Sonnabend, 9. November, um 15:30 Uhr in der Frohnauer Hainbuchenstraße 20 durch die Verlegung eines Stolpersteines erinnert. Die Nichte von Wolfgang Besig und ihr Mann werden bei der kleinen Feier anwesend sein. Dabei sind auch Angehörige der Familie von Putlitz, der heute das Haus gehört. Erbaut hatte es einmal der Vater des von der NS-Justiz hingerichteten Wolfgang Besig.
„Das wusste ich noch nicht.“ Erst durch den Bericht hier im Tagesspiegel-Newsletter für Reinickendorf hat Jasper von Putlitz von der Geschichte des Hauses erfahren und schrieb mir, bei der Renovierung des Hauses hätten sie ein Fenstergitter mit den Initialen „FB“ renoviert. Diese Buchstaben verweisen auf den Vater des Hingerichteten, Friedrich Besig.
Gedenken vor der Kirche. Von der „AG Stolpersteine Reinickendorf“ weist mich Torsten Hauschild darauf hin, dass es ebenfalls am 9. November um 18 Uhr vor der Evangelischen Kirche in Frohnau am Zeltinger Platz eine Gedenkfeier geben wird, bei der die Biografie von Wolfgang Besig noch einmal verlesen wird.
Erinnerung seit 1992. Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer der NS-Zeit werden seit 1992 verlegt. Der Initiator war der Künstler Gunter Demnig – ein Foto von seiner Arbeit zeige ich hier oben. Demnig trägt eigentlich immer seinen markanten Hut. Auf der Oberseite der Messingplatte sind Name, Geburtsjahr, Tag der Deportation, Sterbetag und Sterbeort, so weit bekannt, vermerkt. In Deutschland wurden bislang mehr als 70.000 dieser Stolpersteine verlegt. Jeder von ihnen erinnert an eine Mitbürgerin oder einen Mitbürger, der Opfer der Naziwillkür, des Völkermordes an den Juden oder wegen seines Glaubens oder eines politischen Bekenntnisses getötet wurde.
In Reinickendorf sind 160 Stolpersteine verlegt worden, nach Ortsteilen aufgegliedert:
- Reinickendorf-Ort: 42 Stolpersteine
- Tegel: 28 Stolpersteine
- Konradshöhe 1 Stolperstein
- Heiligensee: 8 Stolpersteine
- Frohnau: 28 Stolpersteine
- Hermsdorf: 29 Stolpersteine
- Waidmannnslust: 6 Stolpersteine
- Lübars: 1 Stolperstein
- Wittenau: 24 Stolpersteine
- Märkisches Viertel: 2 Stolpersteine
- Borsigwalde: 5 Stolpersteine
Niemals vergessen. In dieser Woche, in der uns der 9. November nicht nur an die glücklichen Stunden des Mauerfalls vor 30 Jahren erinnert, sondern auch an die Pogrome des 9. November 1938, wird uns besonders bewusst: Jeder Stolperstein wurde für einen Nachbarn gesetzt, der zum Opfer geworden war. Die Erinnerung an ihn, an sie soll wach bleiben. – Text: Gerd Appenzeller
- Die AG Stolpersteine Reinickendorf im Netz: www.fk-reinickendorf.de
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Dieser Text erschien im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Reinickendorf. Den gibt es kostenlos und in voller Länge einmal pro Woche hier: leute.tagesspiegel.de
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