Nachbarschaft
Veröffentlicht am 27.05.2020 von Gerd Appenzeller
20 Grad am Wochenende, Sonne, Neustart in der Corona-Krise. Die ersten Berliner Bäder sind seit Montag wieder geöffnet. Allerdings ist der Besuch nicht so leicht, man muss in der Regel Eintrittskarten Online buchen, innerhalb eines Zeitfensters. Aber was generell gilt, gilt nicht im Strandbad Lübars. Das hat einen privaten Betreiber, und der macht fast alles anders, und, wie es aussieht, für die Benutzer angenehmer. Ich habe mit den beiden Machern, Henry Arzig (64, links) und Olaf Schenk, 58, gesprochen – am Montag, als es ziemlich kühl war. Allerdings ist der Sommer in Sicht: Nächste Woche werden sogar bis zu 25 Grad und Sonne erwartet.
Für mich ist ein Besuch im Freibad Lübars, das in meiner Generation nur „Tonstich“ genannt wurde, immer ein Eintauchen nicht nur ins klare Wasser, sondern auch in Jugenderinnerungen. Nachdem unsere Eltern 1953 an den Lehnshof gezogen waren, konnte ich mit dem Rad dorthin fahren. Am Fließ entlang ging damals noch nicht, aber die wenigen Autofahrer jener Zeit wussten, dass sie in der Seebadstraße zwischen Mai und Oktober mit Scharen von Fußgängern und Radfahrern rechnen mussten.
Herr Arzig, Herr Schenk, bisschen kalt heute, am Montag, Ihrem ersten Öffnungstag, nicht wahr? „Ja, klar, das richtige Badewetter ist das nicht, und die Wassertemperatur ist nur 17 Grad, aber das Wasser ist glasklar, Sichtweite fünf Meter, und die Leute kommen, sicher.“
Sie haben es Ihren Badegästen leichter gemacht als die Städtischen Bäderbetriebe. „Ja, bei uns gibt es keine Zeitfenster, sondern Tageskarten, und online buchen muss man bei uns auch nicht.“
Wieso nicht? „Wir haben viele Frühschwimmer, Rentner, die stehen schon am frühen Morgen da, viele von denen haben überhaupt kein Internet, und hier bei uns ist der Empfang auch ziemlich schlecht.“
Was kostet der Eintritt bei Ihnen? „Da wir ja die Leute für den ganzen Tag reinlassen, sind wir nicht ganz so billig wie die Städtischen Bäder. Die Tageskarte kostet sechs Euro, ermäßigt vier Euro, und für eine dreiköpfige Familie elf Euro, und natürlich akzeptieren wir den Superferienpass für die Kinder, dann kostet es für jedes Kind nur noch zwei Euro.“
Wie steht es um die Sicherheit in Corona-Zeiten? „Wir halten alle Abstandsregeln eisern ein, die Strandkörbe und Liegen, die sie ganztags mieten können, stehen sorgfältig getrennt, und natürlich sind die Umkleidekabinen genauso wie die Innenduschen gesperrt, aber die Außenduschen funktionieren, und bei uns dürfen sie auch die Wasserrutschen und den Sprungturm benutzen.“
Der Uferbereich sieht so richtig nach Strand aus, ich erinnere mich, dass es in früheren Jahren eher wie eine vertrocknete Wiese wirkte. „Wir haben 400 Tonnen Sand frisch anfahren lassen.“
Und was gibt’s zu essen? „Für die Kleinen auch kleine Sachen, die nicht teuer sind, und die Kioske im Bad sind alle offen, schließlich haben wir auch Gäste, die nicht auf Rosen gebettet sind. Aber auf der Restaurant-Terrasse haben wir jetzt eine gute Spargelkarte, Klassiker wie Currywurst mit Pommes und Sachen, die der Berliner liebt, Bratheringe, dann gibt es Flammekuchen und dreierlei Burger, natürlich auch vegetarisch.“
Wie lange betreiben Sie dieses Bad eigentlich schon? „Seit zwölf Jahren, wir sind in der zweiten Pachtperiode, also bis 2028, und wir glauben an unser Bad. Es ist eines der schönsten von Berlin, natur pur, gehen Sie doch mal am Fließ entlang.“
Warum ist das Wasser so klar? „Das ist eine alte Kiesgrube, hier wurde Ton abgebaut, deshalb heißt das Bad bei den alten Nordberlinern ja auch Tonstich, und durch die Kiesschichten wird das Wasser gefiltert. Bei den regelmäßigen Wasseranalysen der Technischen Universität, die wir aushängen, kriegen wir fast immer das Prädikat „ausgezeichnet“. Wenn da mal nur ein „sehr gut“ rauskommt, ist das schon ungewöhnlich.“ – Text: Gerd Appenzeller
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