Nachbarschaft
Veröffentlicht am 10.06.2020 von Gerd Appenzeller

Bernd Schade, 65, Biker-Pfarrer aus Berlin-Reinickendorf.
Er wurde nur 65 Jahre alt, und dass sein Leben sich dem Ende zuneigte, wusste er schon länger. In der ihm eigenen, gleichermaßen nüchternen wie selbst-ironischen Weise, hat er sich wenige Tage vor seinem Tod in seinem Blog verabschiedet. Am Mittwoch wurde der Motorradpfarrer aus Reinickendorf in seinem „kleinen Kirchlein“ verabschiedet. Der Gedenkgottesdienst in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in der Oranienburger Straße in Wittenau war einem Mann gewidmet, der, im Glauben fest verankert, doch mitten im Leben stand.
Bernd Schade war seit 1992 als Krankenhausseelsorger im Maßregelvollzug auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenanstalt (KaBoN) im Kirchenkreis Reinickendorf tätig. Er betreute Häftlinge seelsorgerlich und lud zum Gottesdienst in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche ein.
Als leidenschaftlicher Motorradfahrer war Schade von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz außerdem mit der Seelsorge für Motorradfahrerinnen und -fahrer beauftragt, was ihn weit über den Kirchenkreis Reinickendorf hinaus bekannt gemacht hat.
Da die Platzverhältnisse vor Ort sehr beschränkt waren, hatte die Evangelische Kirche angesichts der geltenden Abstands- und Hygienebeschränkungen der Corona-Krise darum gebeten, abzuwägen, ob eine Teilnahme im Geiste möglich ist, um sich von Bernd Schade zu verabschieden. Außerdem wurde zu einem Erinnern und Teilen auf der digitalen Gedenkwand eingeladen, die die Landeskirche für den verstorbenen eingerichtet hat – hier ist der Link.
Am Pfingstmontag hatten Biker in der Hauptstadt eine spontane Gedenkfahrt für den Theologen veranstaltet, die mit einer Kurzandacht an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche endete. Bernd Schade war unter anderem Mitorganisator der Mahn- und Gedenkfahrten für die tödlich verunglückten Motorradfahrer, an der jährlich mehrere tausend Biker teilnehmen.
Zuletzt hatte Anfang Oktober ein Motorradkorso in Erinnerung an die in der zu Ende gegangenen Saison gestorbenen Biker aus Berlin und Brandenburg stattgefunden. Den ersten Trauergottesdienst für verunglückte Biker gab es am 10. März 1974 in der Berliner Gedächtniskirche mit anschließendem Motorradkorso. Seitdem hatten sich zahlreiche christliche Motorradgruppen gebildet. Leitsatz der christlichen Motorradfahrer ist: „Fahre nie schneller, als dein Schutzengel fliegen kann!“
In einem Biker-Blog hatte Pfarrer Schade noch am 22. Mai geschrieben: „Wenn ich verstorben bin, dann werdet ihr euch Gedanken machen, was erinnernswert an mir sein solle. Gut, ich war sicherlich kein ausgeprägter Familienmensch. Dafür wollte ich immer auch ein besonders guter Theologe sein. Ich war manchmal hart und unnachgiebig, dafür aber auch ein einfühlsamer Seelsorger, der mit den schwersten Kalibern zurecht kommen konnte. Ihr werdet euch an meinen Motorradfahrstil erinnern: so elegant und zum Niederknien schön. Und anderes werdet ihr mit Recht benennen, offen, schonungslos, humorvoll, liebevoll. Eines ist mir aber wichtig: Dass ihr nie vergesst, wie charmant ich eigentlich war!“ – Text: Gerd Appenzeller
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Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Reinickendorf. Die Newsletter für die 12 Berliner Bezirke gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de
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