Nachbarschaft

Veröffentlicht am 12.08.2020 von Gerd Appenzeller

Marina Naprushkina, 38, Künstlerin und neue Betreiberin des Strandbads in Berlin-Tegel.

Die Frau, die sich da bescheiden und dennoch selbstbewusst, am Dienstagvormittag im Schatten der herrlichen Bäume auf dem Gelände des Strandbades Tegel den Medienvertretern präsentiert, ist überhaupt nicht der Typus des Investors, der mal rasch das Risiko eingeht, ein in der Substanz ziemlich marodes Unternehmen und wieder auf Vordermann bringen zu wollen. Nein, Marina Naprushkina, geboren am 23. November 1981 in Minsk, ist Künstlerin.

Von 1997 bis 2000 studierte sie an der Staatlichen Kunstschule in Minsk, und setzte dann ihr Studium in Karlsruhe an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste fort, später dann noch an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ihre eigenen künstlerischen Schwerpunkte sieht sie in der Malerei und der Videokunst. Politisch interessiert und aktiv war sie schon als Studentin.

Heute, wenige Tage nach der manipulierten Wahl in ihrer Heimat Weißrussland, scheint es geradezu prophetisch, dass sie schon vor acht Jahren Weißrussland als ein Beispiel dafür bezeichnet hat, wie eine moderne Diktatur errichtet wird und wie westliche Demokratien mit diesem Problem umgehen. Heute ist Marina Naprushkina Dozentin an der Kunsthochschule Weißensee.

In Moabit, ihrem Berliner Wohnkiez, wurde sie auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam und engagierte sich in der „Neue Nachbarschaft/Moabit e.V.“, die heute 400 aktive Mitglieder hat, und für ihre erfolgreiche Integrationsarbeit mehrfach ausgezeichnet wurde. Integration – das ist das Stichwort, unter dem sie auch das Engagement der unter ihrer Führung entstandenen „Strandbad Tegelsee gGmbH“ sieht, denn das kleine „g“ steht für gemeinnützig.

Wenn die eigentlich eher risikoscheue BBB, die Betreiberin der Berliner Bäderbetriebe, und die fest auf dem Geld sitzende BIM, die Berliner Immobilienmanagement GmbH, dieser Kiezinitiative das Betreiben eines Bades zutrauen, steckt dahinter nicht nur ein Geldgeber, sondern auch ein politischer Wille.

Die Geldgeber sind das erwähnte Berliner Ehepaar, das immer wieder mit seinem Vermögen Projekte für Integration unterstützt. Und der politische Wille? Man kann davon ausgehen, dass die zuständige Senatsverwaltung hier ein Signal setzen wollte, dass ein solches Strandbad auch als Modell für Integration und soziale Teilhabe entwickelt werden kann. Es ist also ein Experiment, bei dem die Reinickendorfer zuschauen und an dem sie auch mitmachen können. – Text: Gerd Appenzeller

  • Kühle Tipps für den Hitze-Sommer? Im Tagesspiegel haben wir die besten Badestellen, Biergärten und Eisdielen der Stadt gesucht und gesammelt.  Konkrete Sommertipps aus den 12 Berliner Bezirken lesen Sie mit „Tagesspiegel plus“.

+++
Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Reinickendorf. Die Tagesspiegel-Newsletter für alle 12 Berliner Bezirke (mit schon 220.000 Abos) gibt es kostenlos und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de.
+++
Hier noch mehr Themen aus dem aktuellen Reinickendorf-Newsletter vom Tagesspiegel

  • Neuer Start fürs Strandbad Tegel: Ein gemeinnütziger Investor übernimmt das Bad für 40 Jahre in Erbbaupacht – und welche drei Personen stecken konkret dahinter?
  • Wochenmarkt am S-Bahnhof Frohnau: Wer will diesen Markt zerstören, wer hat hier was vor?
  • VfB Hermsdorf hat jetzt einen Wildschwein-sicheren Platz zum Kicken – und es gibt noch einen anderen Grund zum Feiern.
  • Streit um BVG-Express-Bus in Tegel
  • Nachschlag zum BSR-Kaufhaus
  • Yoga, Gottesdienste, Mauergedenken
  • …und noch viel mehr Lesestoff aus den Reinickendorfer Kiezen, viele Termine und persönliche Tipps – immer gebündelt im Tagesspiegel-Bezirksnewsletter. Die gibt es für alle 12 Berliner Bezirke in voller Länge und kostenlos unter leute.tagesspiegel.de
  • Mit „T+“ können Sie die besten Geschichten aus dem  Tagesspiegel und den kompletten „Checkpoint“-Newsletter von Lorenz Maroldt lesen. Für knapp 8 Euro pro Monat im Jahresabo.
  • Hier 30 Tage kostenlos testen, jederzeit kündbar. Tagesspiegel Plus.