Nachbarschaft
Veröffentlicht am 27.01.2021 von Gerd Appenzeller

Klara Schedlich, 21, will ins Abgeordnetenhaus
Ist Klara Schedlich das, was man eine Überfliegerin nennt? Jahrgang 2000, geboren am 4. Januar, also gerade einmal wenige Tage 21 Jahre alt. Eingeschult mit fünf (Victor-Gollancz-Schule in Frohnau), Abitur mit 17 am Gymnasium in Glienicke-Nordbahn, jetzt im fünften Semester des Maschinenbaustudiums an der Technischen Universität Berlin. Später möchte sie sich in Richtung Schienenverkehr spezialisieren, oder das weite Gebiet der erneuerbaren Energien zum Arbeitsschwerpunkt machen.
Klingt alles furchtbar streberhaft, ist aber nur die halbe Wahrheit. Seit dem sechsten Lebensjahr – also seit 15 Jahren – hat Klara Schedlich Unterricht an der Musikschule Reinickendorf. Sie spielt Cello.
Das nächste Ziel hat weder mit Maschinenbau noch mit klassischer Musik zu tun, sondern mit Politik. Ein bisschen selbst-ironisch sagt sie auf eine entsprechende Frage, zwischen Bachelor und Master wolle sie jetzt ins Abgeordnetenhaus. Die „Grüne Jugend“ Berlins hat sie, die 21-Jährige, zusammen mit der 23-Jährigen June Tomiak, als ihre Spitzenkandidatinnen für die Wahl zum Abgeordnetenhaus nominiert. Beide rechnen damit, auf der Landesliste so platziert zu werden, dass der Sprung ins Parlament auch gelingt, wenn die Grünen ihr Ergebnis von 2016 wieder erreichen. Damals kam die Partei auf 15,2 Prozent. Die Prognosen sehen sie jetzt bei 18 Prozent.
Die Reinickendorferin Klara Schedlich will sich, sollte sie gewählt werden, Bildungspolitik als Schwerpunkt wählen. Chancengleichheit sei ihr wichtig, erzählt sie mir – es gebe keine bildungsfernen Familien, sondern nur ein Bildungssystem, das nicht alle Familien erreicht. Der Bildungsstand der Eltern dürfe nicht über den Bildungsweg der Kinder entscheiden. Und Klimapolitik steht für die künftige Maschinenbauerin auch noch weit oben – ihre Generation werde die Folgen des Klimawandels stärker und länger spüren als alle Generationen vor ihr. In ihrer Familie ist sie übrigens die erste mit einem technischen Beruf.
2021 ist in Berlin dreifaches Wahljahr: Am 26. September werden ein neuer Bundestag, ein neues Abgeordnetenhaus und neue Bezirksvertretungen gewählt. In dieser Rubrik werden im Laufe der Monate bis zur Wahl gelegentlich auch Kandidatinnen und Kandidaten vorgestellt werden, deren Bewerbung sich durch typische Merkmale von denen der meisten anderen unterscheidet. Etwa durch einen ungewöhnlichen Werdegang, besondere Jugend oder besonderes Alter, herausragendes soziales Engagement. Eine gewisse Chance, gewählt zu werden, sollten die Persönlichkeiten auch haben. Die Kriterien dafür sind die Ergebnisse der letzten Wahlen, bzw. von Umfragen vor der Wahl. Dennoch bleibt die Auswahl am Ende natürlich subjektiv.
Nicht vorstellen werde ich Bewerberinnen und Bewerber von Parteien, die sich durch Positionen ihres Spitzenpersonals als verfassungs- und demokratiefeindlich zu erkennen gegeben haben
- Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: gerd.appenzeller@tagesspiegel.de