Nachbarschaft
Veröffentlicht am 07.04.2021 von Gerd Appenzeller
Linda und Lorenz Riele, Hermsdorf, Analyse-Champions
Die größte Stärke der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand. Großunternehmen, deren Aktien gehandelt werden, sind nach außen der Markenkern des „Made in Germany“. Aber das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Tatsächlich sind es gerade mittelständische Familienunternehmen, die in Krisenzeiten so etwas wie einen Stabilitätsanker bilden. Unter ihnen gibt es die „hidden champions“, die versteckten Branchenführer und Hersteller von Spezialgeräten und Maschinen, die in der ganzen Welt gefragt sind. Eines davon feierte jetzt gerade in der Hermsdorfer Kurfürstenstraße 75-jähriges Bestehen. Linda und Lorenz Riele, Geschwister, haben zum Jahreswechsel die Geschäftsführung von den immer noch aktiven Eltern übernommen, sie sind die dritte Generation.
Ihr Unternehmen, die „Robert Riele GmbH & Co KG“ liegt mitten in einem Wohngebiet. Wer nicht weiß, dass hier Analyse-Instrumente für Blutüberprüfung und Qualitätsuntersuchungen von Wasser und Chemikalien hergestellt werden, läuft achtlos vorbei. Das ist auch so gewollt. Linda Riele, promovierte Ingenieurin, kümmert sich um die technische Weiterentwicklung des Produktes, Bruder Lorenz besorgt den kaufmännischen Teil. Das Produkt, das aus dem Norden Berlins, gefertigt von 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in mehr als 40 Länder in der ganzen Welt geliefert wird, steht bei meinem Besuch bei den Rieles – die Mutter ist auch dabei – unscheinbar auf dem Tisch. Es ist so groß wie eine Aktentasche, aber es kann im Prinzip alles, was moderne Großlabore mit gewaltigem, technischen Aufwand tagtäglich an hunderttausenden Gewebe- und Blutproben auch machen: Unter Zusetzung von Reagenzien die Zusammensetzung der Probe analysieren und Auffälligkeiten anzeigen.
In Entwicklungsländern, in der sogennanten „Dritten Welt“, in den Weiten Chinas oder Südamerikas oder Afrikas, gibt es keine Großlabors. Wenn der Arzt oder die Ärztin auf dem Land nicht die Möglichkeit zur schnellen Analyse hat, ist den Patientinnen und Patienten oft nicht zu helfen. Photometer – das ist die exakte Bezeichnung des Produktes – ändert das. Besonders gefragt ist es gerade in China, in Libyen und im Jemen. Natürlich gibt es Konkurrenzprodukte aus dem asiatischen Raum, räumt Linda Riele freimütig ein. Vermutlich sind sie auch billiger. Aber Rieles Photometer ist eben „Made in Germany“, die Geräte funktionieren über Jahre und Jahrzehnte. Ersatzteile werden über regionale Vertreter geliefert. Aber keiner der drei Rieles am Konferenztisch kann sich erinnern, dass jemals ein Gerät als funktionsuntauglich zurückkam.
Dabei ist das Gerät im Kleinen auch ein Spiegelbild der globalen Vernetzung, denn das Display kommt aus China. Das Gehäuse aber wird im Schwarzwald gebaut, die Metallteile liefert ein Hersteller aus Lübars. Eigentlich wäre am 26. März ein großes 75-Jahr-Fest fällig gewesen. Aber da hat Corona einen Strich durch gemacht. Gedacht hat man des Jubiläums natürlich trotzdem. Und eben weiter gearbeitet. Wie es sich für einen „versteckten Champion“ gehört.
Foto: Robert Riele GmbH & Co KG
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