Nachbarschaft
Veröffentlicht am 17.05.2023 von Lisa Erzsa Weil

„Kleinod“ und „Leuchtturm“: So nennt Andreas Otto, Vorsitzender des Vereins Regenbogen Reinickendorf, liebevoll das House of Queers im Märkischen Viertel, wo wir uns zum Interview treffen. Das „House“, das sich zwischen den hohen Wohnblöcken am Wilhelmsruher Damm befindet, war ursprünglich einmal ein Grenzhäuschen.
„Hier waren früher die Franzosen drin und haben die Mauer bewacht“, sagt Otto und weist hinters Häuschen, in Richtung Berliner Mauerweg. Heute flattert hier eine Regenbogenfahne, und die offene Tür zeigt an: An diesem Ort sind alle Menschen willkommen.
Das House of Queers fungiert als Anlaufstelle und offener Treff für queere Menschen – ob schwul, lesbisch, bisexuell, transident, intersexuell etc. – und deren Freunde, Eltern und Bekannte. „Es kommen Leute aus dem ganzen Bezirk, aus Heiligensee, Tegel, Reinickendorf-Ost, sogar aus dem Wedding“, erklärt Otto. Er gründete den Verein gemeinsam mit anderen im Sommer 2018, da es sonst nur wenige Angebote für LGBTQI* im Bezirk gab. Letztes Jahr im Frühling eröffnete der Verein dann das House of Queers, das er von der Gesobau anmietet.
Immer donnerstags zwischen 17 und 21 Uhr findet hier ein offener Treff statt. „Da gibt es kein festes Programm oder Vorgaben. Manche kniffeln einfach nur gern, andere diskutieren“, erläutert Otto. Die Menschen, die kommen, seien „bunt wie der Regenbogen“: „Da sind die unterschiedlichsten Hintergründe dabei, verschiedene Religionen, eine Altersspanne von 16 bis 79. Das hat man vielleicht oft nicht auf dem Schirm, doch natürlich gibt es auch Senioren, die eine queere Lebensgeschichte haben“, sagt der Vereinsvorsitzende.
Manchmal kämen auch Online-Anfragen zu ernsteren Themen, Probleme zu Hause und mehr. „In solchen Fällen machen wir ein Einzeltreffen aus, um die Privatsphäre zu wahren. Wir leisten hier in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe, doch ich bin gut vernetzt, wenn jemand bestimmte Bedarfe hat“, sagt Otto. „Sich bei unserem Verein oder hier im House of Queers zu melden, das ist oft ein erster Schritt, um zu spüren: Man ist nicht allein.“ Im Häuschen liegt außerdem allerlei Material aus, Veranstaltungsflyer, auch Kondome kann man sich wegnehmen.
Außerdem ist gerade eine queere Bücherei im Entstehen. „Gestern erst kam per E-Mail eine Frage nach Kinderbüchern. Wir möchten hier etwas aufbauen, damit sich jeder queere Bücher ausleihen kann.“ Haben Sie queere Literatur, die Sie gern dem House of Queers zur Verfügung stellen möchten? Regenbogen Reinickendorf freut sich über Bücherspenden. Melden Sie sich einfach unter info@regenbogen-reinickendorf.de.
Auch neue Vereinsmitglieder oder Geldspenden sind willkommen: Informationen finden Sie auf der Webseite des Vereins, regenbogen-reinickendorf.de. Wichtig ist es Otto außerdem zu betonen, dass auch Regenbogenfamilien im House of Queers gern gesehen sind. Gleich nebenan gibt es einen Spielplatz, das Häuschen hat einen kleinen Garten- und Hofbereich sowie eine Toilette.
Und wie sind die Reaktionen auf den „Leuchtturm“ im Außenbezirk? „Es kommen oft Leute vorbei und fragen interessiert, was das hier ist. Wenn ich antworte, gebe sie einen Daumen nach oben. Aber auch negative Äußerungen sind schon gefallen, eher von Kindern, die zu Hause von ihren Eltern vielleicht nicht so sehr über das Thema informiert wurden“, erklärt Otto. Sichtbarkeit, so der Vereinsvorsitzende, erzeuge eben Reaktionen. Auch deshalb ist Otto der Kontakt zu den Schulen im Umkreis wichtig, um die Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu verbessern.
Um noch mehr Vorurteile abzubauen, wird am heutigen Idahobit zwischen 17 und 20 Uhr ein Nachbarschaftsfest beim House of Queers veranstaltet. „Wir würden uns freuen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, egal welcher Kultur oder Religion. Unser Ziel ist es, dass alle friedlich zusammenleben können“, so Otto. Und auch, wenn es noch viel zu tun gebe in Reinickendorf, ist der Vorsitzende zuversichtlich: „Mit unserem Verein haben wir vor fünf Jahren ein Pflänzchen gepflanzt, das wir wachsen lassen wollen.“
- Fotos: Lisa Erzsa Weil
- Welches Projekt oder welche Reinickendorfer Persönlichkeit soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: lisa.weil@extern.
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