Nachbarschaft

Veröffentlicht am 17.01.2024 von Valentin Petri

Wie steht es eigentlich um das Strandbad Tegelsee? Nach einigen Minuten Fahrzeit durch den Tegeler Forst auf einer Straße, die kurviger und länger erscheint als sie letztendlich ist, gelangt man zu dem alten Bad. Selbst jetzt, bei grauem und windigem Winterwetter, ist der Ort ein Idyll. Weißer Graupel besprenkelt den Sandstrand, unter den Bäumen liegt Laub, es riecht nach Natur. Dass man hier noch in der Stadt ist, lassen nur die Hochhäuser erahnen, die auf der anderen Seeseite in Tegel emporragen.

Im Winter ist das Bad natürlich geschlossen. Trotzdem gibt es inzwischen eine feste Gruppe, die zum Eisbaden regelmäßig ins Wasser steigt, berichtet Jelena Surdilovic. Zusammen mit Thomas Fuchs ist sie Geschäftsführerin des neuen alten Strandbads. „Geld muss auch im Winter reinkommen“, sagen die beiden.

Das braucht das Strandbad aktuell in der Tat reichlich. Es verrottete über Jahre, weil die Berliner Bäderbetriebe nichts investiert hatten. Die Umweltverwaltung erteilte die Auflage, das marode Abwassersystem zu sanieren, um das Bad weiterzubetreiben. Als die Bäderbetriebe die alten Wasserrohre stattdessen zubetonierten, schien die Messe für das Waldidyll gelesen. Nach langer Suche fand sich im Jahr 2020 schließlich der Verein Neue Nachbarschaft Moabit, der das Bad für 40 Jahre pachtete und wiederbelebte.

Jetzt gibt es große Pläne: Schritt für Schritt sollen die alten Gebäude und Anlagen saniert und in Stand gesetzt werden. Das alte Restaurant soll wieder öffnen. „In ein paar Jahren vielleicht“, sagt Fuchs. Priorität bis zum Beginn der diesjährigen Badesaison haben die Abwasserleitungen, die dem Bad fast schonmal zum Verhängnis wurden.

Surdilovic und Fuchs zeigen den aufgerissenen Boden in den Toilettengebäuden. In den nächsten Wochen gehe es dort dann richtig los: Neue Rohre, neuer Frischwasserzufluss. Die Arbeiten werden von Reinickendorfer Unternehmen durchgeführt.

Foto: Valentin Petri.

Um die 75.000 Euro für die Instandsetzung der Sanitäranlagen rechtzeitig zusammenzubekommen, hat das Strandbad eine Fundraising-Kampagne gestartet. Dafür stehen symbolisch 300 Puzzlestücke zum Verkauf. Mit dem Erwerb eines Puzzleteils für 250 Euro bekommt jeder Unterstützer im Gegenzug eine Saisonkarte für das Jahr 2024. Gut 70 Puzzleteile seien so inzwischen zusammengekommen.

Inzwischen haben die neuen Betreiber drei Badesaisons hinter sich gebracht. Rund 37.000 Gäste haben das Bad über das Jahr 2023 besucht und sich im Tegeler See abgekühlt. Zum zehnköpfigen Team gehören viele Geflüchtete. Sie sind ausgebildete Rettungsschwimmer oder übernehmen andere Betriebsaufgaben. „Die Idee war, Menschen zu beschäftigen, die auf dem ersten Arbeitsweg Probleme hatten“, erklärt Fuchs. Das funktionierte sehr gut.

„In Zukunft wollen wir mehr mit den Sportvereinen und Schulen zusammenarbeiten, um kostenlose Schwimmkurse anzubieten.“, sagt Surdilovic. Dafür gebe es in Berlin ja reichlich Bedarf.

Neben dem klassischen Badebetrieb versteht sich das Strandbad als Zentrum für Kultur und Erholung. Über den Sommer werden zahlreiche kulturelle Veranstaltungen und soziale Projekte angeboten. Neben Kunstaktionen und Konzerten am Wasser gibt es seit zwei Jahren eine Sommerschule für ukrainische Kinder. „Grundsätzlich sind wir ein Familienbad. Wir haben aber auch viele Gäste, die das Kulturprogramm spannend fanden und deshalb hierhergekommen sind“, sagt Surdilovic.

Anmieten kann man das Gelände weiterhin. „Bei vielen ruft das Bad eine Nostalgie hervor“, bemerkt sie. Immer wieder erzählten Leute, dass sie hier vor Jahrzehnten schon Feiern veranstaltet hätten.

Einmal habe er die Polizei rufen müssen, weil eine Gruppe mit dem Boot am Ufer angelegt hatte und dort übernachten wollte, erzählt halb scherzhaft Mitarbeiter Mario Martin, der inzwischen hinzugestoßen ist. „Die Leute fühlen sich hier eben wohl.“