Intro

von André Görke

Veröffentlicht am 19.11.2019

Willkommen in der Manege! Es gibt mächtig Gebrüll und Ärger um Wildtiere im Berliner Westen. Im Mittelpunkt: der „Circus Voyage“. Der parkte 25 Jahre als glitzernde Weihnachtsshow mit Elefant, Tiger, Nilpferd und Co. vorm Olympiastadion in Berlin-Charlottenburg. Dummerweise gab’s Ärger um den Tierschutz, Kontrollen und Klagen vor Gericht, jahrelange Debatten. Zig Städte haben sich politisch gegen Wildtier-Haltung im Zirkus ausgesprochen, auch die meisten Berliner Bezirke. Den „Voyage“-Zirkusleuten fehlen so natürlich Einnahmen, also wird der Ton schärfer („Willkür, es gab nie Probleme“) – und jetzt wird’s sogar völlig gaga: „Vor 80 Jahren wurden auch gewissen Menschen zu unrecht Steine in den Weg gelegt und somit aus der Stadt vertrieben.“ Das steht so ernsthaft aktuell auf der Zirkusseite.

Neue Heimat … Berlin-Spandau! Der Parkplatz vorm Olympiastadion blieb laut Pachtvertrag tabu. Der eigentliche Zirkusbetrieb aber könne nicht so einfach verwehrt werden. Das urteilte das Gericht im November 2019. Die Zirkusleute suchten also eine Alternative in Berlin und wurden im Nachbarbezirk fündig, Bingo!, in Berlin-Spandau.

Zwischen fauler Spree, Osram-Werk und Steinkohle-Lager machen es sich die Tiere jetzt artgerecht bequem in ihrem Winterquartier. Es geht um die Brache, wo einst Berlins berüchtigtes Flüchtlingsheim stand – hier eine Luftaufnahme. Nach 22 Jahren kamen die Container der „Erstaufnahmestelle“ 2018 weg. Doch weil das Grundstück eher so lala liegt, klingeln selten Mieter durch – da kam der Zirkus gerade recht. Der will dort vom 19. Dezember bis 5. Januar gastieren. Im letzten Jahr kamen 40.000 Besucher. Das ist also alles eine große Nummer.

Kladow, Arcaden, Spektefeld: „Wir sind seit sechs Jahren Zirkus-frei.“ Gerade eben hatte ich Stadtrat Stephan Machulik, SPD, am Handy, der sich über den Deal des Vermieters ärgert. „Seit sechs Jahren hatten wir in Berlin-Spandau keinen Zirkus mit Wildtieren mehr.“ Der traditionelle Zirkus-Platz hinterm Parkhaus der Arcaden? Bebaut. Die Zirkus-Brachen in der Wasserstadt und im Spektefeld? Vorbei. Die Zirkus-Wiese in Kladow, wo sich einst die „Blaue Lagune“ befand (Spitzname für die blauen DDR-Flüchtlingshäuser am Kladower Damm)? Längst Geschichte. „Und jetzt das“, schnauft Machulik.

„Wer Tierschutz nicht ernst nimmt, kriegt hier ein Problem.“ Am Sonntag ist der Stadtrat zur Industrie-Brache geradelt. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieses Industriegebiet geeignet ist, um dort Elefanten, Tiger und Nilpferde zu halten“, sagte Machulik mir am Handy. Aber das werde jetzt geprüft. Mit dem Vermieter nimmt er Kontakt auf. Die erste politische Reaktion kam von der Wählerinitiative Wiss um Jürgen Kessling„Das Einpferchen und Dressieren sowie Vorführen von wilden Tieren ist Tierquälerei.“ Die Wiss begrüße daher strenge Kontrollen, schließlich wisse man „aus Erfahrung, dass der Stadtrat sich auch gegen Widerstände für das Tierwohl einsetzt“.

Der Stadtrat schickt das Veterinäramt in die Spur – die Frauen und Männer gelten nicht gerade als spaßige Stempeltruppe, sondern als bissig. „Wer Tierschutz nicht ernst nimmt, kriegt ein Problem“, sagt Machulik. „Das wird kein Larifari hier.“ – Text: André Görke
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