Intro

von André Görke

Veröffentlicht am 27.10.2020

In vier Wochen öffnen die Weihnachtsmärkte und wir stecken mitten in der Coronakrise. Heute tagte der Senat und verkündete neue Pandemieregeln. Ist der Weihnachtsmarkt in der Zitadelle schon abgesagt? „Nein“, sagte mir Sven-Uwe Dettmann gerade eben um 14 Uhr am Handy. Er ist Spandaus wichtigster Mann in der Kälte: der Chef vom Weihnachtsmarkt. Und er hat spätestens jetzt ein echtes Problem.

Der Senat hat nämlich heute die maximale Personenzahl für Veranstaltungen geändert. Demnach sollen nur noch 500 statt 5000 Teilnehmer draußen und 300 statt 1000 für Veranstaltungen in Innenräumen erlaubt sein. Bei Vorlage eines Hygienekonzeptes kann die Zahl auf 800 erhöht werden. Diese Regelung wird im Amtsblatt veröffentlicht und tritt demnach ab Sonnabend in Kraft. Diese Regelung soll – jetzt kommt’s – bis 16. November gelten. Und dann? Weihnachtmarktchef Dettmann sagt:

  • „Dieser Termin, diese Aussage bringt uns leider nichts. Der Eröffnungstermin aller Weihnachtsmärkte ist traditionell am 23. November. Heute in zwei Wochen wollen wir mit dem Aufbau beginnen. Sollen wir dann erst auf- und schnell wieder abbauen?
  • Wir kalkulieren in der Zitadelle mit knapp 3000 Leuten. Das steht so in unserem Hygienekonzept. So viele Menschen sollen zeitgleich den Weihnachtsmarkt in der Zitadelle besuchen dürfen. Damit waren wir sogar vorsichtig.
  • Weniger Besucher aber machen gar keinen Sinn, so ehrlich müssen wir bitte sein. Die Bedingungen werden von Tag zu Tag schlechter. 800 Besucher, 15 Stände, oder wie? Es erwartet doch bitte der Staat nicht von uns, dass wir den Mut aufbringen müssen, alles selbst abzusagen.
  • Wir brauchen jetzt eine Entscheidung des Staates. Und zwar nicht bis zum 16. November, sondern bis zum Jahrsende. Wir brauchen dringend Klarheit.
  • Die Gesundheit geht am Ende natürlich vor, aber dann muss der Staat das auch klar so sagen.
  • Da geht es auch um Regressforderungen. Am Ende ist das unser Beruf, es geht um Geld – um unsere Existenz. Und mit 15 Ständen geht’s nicht.
  • Vorbild für Berlin könnte Nürnberg sein: Da hat die Stadt den großen Christkindl-Markt abgesagt und Verantwortung übernommen. Die Händler wissen jetzt, woran sie sind. Diesen Mut wünsche ich mir für Berlin.
  • Bislang planen wir mit 70 Ständen und Einbahnstraßenregelung in der Zitadelle, viel Abstand und kein Gedränge. In der Altstadt hätte das niemals geklappt.
  • Die Turmbläser sollen in der Zitadelle von den Emporen oder vom Balkon spielen. Bühnen dürfen wir eh nicht aufbauen. Die Gastronomen finden ihre Nischen in den Bastionen, damit da nicht alle Gäste durchlaufen müssen. Mal sehen, wie hoch der Aufwand für die Ordnungskräfte wird. Davon hängt es ab, ob wir Eintritt nehmen müssen.
  • Das Winterkino kommt auch, ich habe heute erst die Lizenz für die ‚Feuerzangenbowle‘ mit Heinz Rühmann bekommen. Auch die Krippe mit den Schafen sollte kommen: Ich rede – das war zumindest mein Plan – diese Woche mit dem Schäfer, der die Tiere auf die Zitadelle bringt. In der Altstadt war das nicht erlaubt.
  • Gestrichen habe ich sowieso schon die Eisbahn. Da hätten nur 15 Leute aus Corona-Gründen rauf gedurft, das rechnet sich nicht, aber das holen wir nach – hoffentlich auf dem Weihnachtsmarkt 2021.“
  • …und das Allerwichtigste: Gesund, Herr Dettmann? „Ja, Danke.“

Der Stadtrat von Spandau ist wieder fit. Mit ihm schrieb ich in den Herbstferien hin und her, bis schließlich Frank Bewig, CDU, erleichtert meldete: „Gerade hat mir mein Gesundheitsamt eine gute Nachricht übermittelt: mein neuester Corona-Test ist negativ!“ Kurzum: Bewig ist wieder gesund. Der Gesundheitsstadtrat hatte vor zwei Wochen über „hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen“ geklagt. Sein Fazit: „Insgesamt hatte ich einen milden bis moderaten Verlauf. Durch meine nun selbst gemachte Erfahrung bin ich noch mehr in Gedanken bei all jenen, die einen schwereren Verlauf haben, auf einer Intensivstation behandelt werden müssen oder gar die Erkrankung nicht überleben. Ich hatte Glück und bin dafür sehr dankbar.“

Am Mittwoch gibt es einen Corona-Gipfeltreffen bei Angela Merkel. Es wird mit Einschränkungen für Handel, Gastro und Fußballspiele ohne Zuschauer gehen. Kleine Weihnachtsmarkt-Ableger wie die Buden vor dem Rathaus Spandau oder auf dem Marktplatz stehen sowieso auf der Kippe. Wie soll da ein Hygienekonzept umgesetzt werden?

„Auch in Spandau ist es zu einer raschen Verbreitung der Infektion gekommen“, schreibt Spandaus Amtsärztin Gudrun Widders in einem achtseitigen Brief, der gestern veröffentlicht wurde – hier ist der PDF-Link. Darin stehen alle Isolationsvorschriften für erkrankte Bürgerinnen und Bürger und deren Kontakte.

Der große „Sportlerball“ beim SC Siemensstadt im Februar 2021 wurde längst abgesagt. In Schulen und Kitas wird fleißig gelüftet (was auch sonst nie schadet). In der Altstadt gilt längst die Maskenpflicht. Eine Unterbrechung der Fußballsaison wie in Hamburg wird auch in Berlin diskutiert. Und die Gesundheitsexperten raten ab, am Wochenende „Halloween“ zu zelebrieren: Kinder, die in Süßigkeiten-Eimern wühlen und von Tür zu Tür gehen… da hilft auch die Grusel-Maske nichts.

Gibt es auch Gutes? Klar. Spandaus Wahrzeichen ist nach über einem halben Jahr wieder zu besuchen. Der Juliusturm (27 Meter) ist geöffnet. „Mit einem Ampelsystem“ wird gewährleistet, dass die Besucher auf dem Weg nach oben nicht auf andere Leute treffen. Geöffnet ist der Juliusturm zum Beispiel am Freitag, Samstag, Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Eintritt 4,50 Euro, Kinder 2,50 Euro. Ist super dort oben – hier zeige ich Ihnen meine vier Ausflugsfotos. – Text: André Görke

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Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau. Den gibt es kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de
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