Kiezkamera

Veröffentlicht am 03.12.2019 von André Görke

Sie sehen das Luftkreuz über Berlin-Spandau. Das Foto machte Tagesspiegel-Fotochef Kai-Uwe Heinrich extra für den Tagesspiegel-Bezirksnewsletter. In 11 Monaten soll das Getöse am Spandauer Himmel Geschichte sein. Der Bezirk liegt in der Einflugschneise. Der Flughafen Tegel wird am 8. November 2020 geschlossen (ja, ja, das ist zumindest der Plan). „Der Umzug von Tegel zum BER wird in drei Schritten stattfinden“, teilte der Flughafen mit. Los geht es am Abend des 31. Oktober 2020.

Die letzten Maschinen von Easyjet werden an jenem 31. Oktober nicht mehr nach Tegel fliegen, sondern am BER landen. Wenn Easyjet komplett umgezogen ist, folgen weitere Fluglinien an zwei weiteren Wochenenden. Nicht nur die Flugzeuge müssen umziehen, sondern auch das Equipment von Feuerwehr, Rolltreppen und Co. Deshalb sollte beim ersten Umzug die komplette Stadtautobahn an einem Wochenende gesperrt werden – wie das diesmal gemacht wird (nachts in Etappen?) ist noch nicht kommuniziert.

Wichtig ist auch die 2. Umzugs-Etappe: Wenn am 4. November 2020 die südliche Landebahn am BER offiziell in Betrieb genommen wird, müssen die Landebahnen in Tegel wiederum spätestens sechs Monate danach dicht gemacht werden – das ist die Gesetzeslage. Am 5. Mai 2021 macht somit der Allerletzte in Tegel das Licht aus. So lange wird der TXL-Betrieb mit einer Notmannschaft aufrecht erhalten. Der letzte reguläre Flug hebt bereits am 8. November 2020 ab und fliegt über Spandau, Reinickendorf und Pankow hinweg. Diese drei Bezirke sind am stärksten vom Innenstadt-Flughafen betroffen.

Steigen die Mietpreise? Die Spandauer Kieze mit den günstigen Mieten, den Stuck-Fassaden, den Altbauten, der Nähe zum Fluss und zum Wald dürfte Futter sein für den gefräßigen Wohnungsmarkt. Auch deshalb setzen sich Politiker wie Lars Leschewitz, Linke, und Jens Hofmann, SPD, erfolgreich für den Milieuschutz in der Neustadt ein. Und erst dieses Jahr hatte Stadtrat Frank Bewig, CDU, den entsprechenden Kiez auf dem Stadtplan markiert – hier ist die Milieuschutz-Karte.

Ruhe auf dem Balkon. Die Menschen in der TXL-Schneise können ihren Garten und ihren Balkon nutzen, ohne sich anbrüllen zu müssen. Neubau-Projekte wie die Insel Gartenfeld (3500 Wohnungen) und die Hochhäuser in der Wasserstadt (17 Stockwerke) haben Planungsruhe und können wachsen.

Wie ist das mit der Anreise? Spandau bleibt – erst einmal – direkt an den BER angeschlossen. Relevant ist bei der Distanz natürlich nicht die S-, sondern die Regionalbahn. Die RB14 soll auch 2020 von Spandau bis in den neuen unterirdischen Flughafen-Bahnhof rollen. Fahrzeit: 1 Stunde.

Wer aus Kladow kommt, kann sich ggf auch mit dem Auto nach Golm fahren lassen und von dort mit der Bahn südlich um Berlin herumkurven: Der Zug braucht von Golm 40 Minuten zum BER. Ab 2026 wird dann der neue „Flughafenexpress“ im Einsatz sein. Spandauer werden dann am Hauptbahnhof in diesen neuen BER-Zubringer umsteigen müssen. Aber abwarten: Das ist noch lange hin.

Was sagt der Bürgermeister? Spandaus Bezirkschef Helmut Kleebank, SPD, ist selbst in der Einflugschneise aufgewachsen und kennt den Lärm der Flugzeuge, die dort alle 90 Sekunden langdonnern. Er sagte neulich dem Spandau-Newsletter:  „Ich weiß, dass viele länger in den Urlaub brauchen, weil der Weg nach Schönefeld weiter ist. Es ist aber auch so, dass TXL Dreck macht. Fluglärm löst permanenten Stress aus, die Leute kommen nicht zur Ruhe. Ich bin selbst im Falkenhagener Feld aufgewachsen, ich kenne die Einflugschneise, die vielen Flugzeuge. Die Maschinen waren damals lauter, aber es waren nicht so viele wie heute, nicht alle 90 Sekunden. Der Geräuschpegel reißt gar nicht mehr ab.“ Hier ein Video, das gut den Krach darstellt (Ton an!).

Bürgermeister Kleebank: „Ich denke, viele innerdeutsche Flüge werden eh gestrichen“. Weiter hatte Kleebank mit Blick auf die weiteren Wege zum neuen Flughafen gesagt: „Die U7 muss in Neukölln zum BER verlängert werden. Dann haben wir drei Anbindungen aus Spandau – die S-Bahn, die schnelle Regionalbahn, die U-Bahn, falls mal ein Weg dicht ist.“ Dass die Spandauer Wirtschaft unter dem Wegfall von TXL leiden werde, glaubt Kleebank nicht. „Für die Spandauer Wirtschaft ist es wichtiger, dass der ICE-Bahnhof bei uns in Spandau ausgebaut wird. Ich denke, dass in Zukunft viele innerdeutsche Flüge eh gestrichen werden. Wir können nicht über Strom, Agrarwende, Verkehrswende, Heizung, Klima reden und dann Kurzstrecken im Flugzeug zurücklegen. Das wird sich ändern, und genauso muss es alternative Treibstoffe geben.“ – Text: André Görke

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Dieser Text stammt aus dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau. Den Newsletter gibt es in voller Länge und kostenlos unter leute.tagesspiegel.de

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