Kiezkamera
Veröffentlicht am 04.08.2020 von André Görke

Die Ruinen im Gutspark Neu-Kladow. Neulich gab’s Ärger um Techno-Partys in der alten Ruine am Berliner Havelufer. Im alten Skelett des Awo-Casinos wurde getanzt, bis die Polizei anrückte – nicht zum ersten Mal. Kurz danach schalteten Anwohner Spandaus Kulturstadtrat Gerhard Hanke, CDU, ein. Das Problem war wohl weniger die Musik, sondern mehr die Anreise. Müll, Dreck, Autolärm tief in der Nacht. Welche Idee hat der Kulturstadtrat? Wie kann die Ruine genutzt werden? Und was machen die Millionen-Pläne? Ich fragte bei Kulturstadt Hanke nach. Hier Auszüge aus dem Gespräch.
„Wir können die Techno-Partys nicht einfach verbieten. Verbote bringen doch nichts. Die ‚Kladower Bunker Raves‘ brauchen etwas mehr Ordnung. Also habe ich mit dem Gastronom nebenan gesprochen, Bork Melms. Er kennt sich gut aus in der Berliner Eventszene. Hast du Lust? Er hat zwei Nächte darüber geschlafen und dann gesagt: Ja, mache ich.“ Für den Hinterkopf: Melms (hier ein Foto) hat früher Szene-Partys organisiert und auch das „Goya“-Metropoltheater in Schöneberg gefüllt. Ihm gehört auch Potsdams größter Biergarten am Havel-Ufer. Aber zurück zu Kulturstadtrat Hanke: „2021 reißen wir die Ruine ab, bis dahin brauchen wir eine sinnvolle Idee für die Zwischennutzung.“ Und die hat er jetzt.
„Im August bekommt Kladow einen neuen Kulturort. Da wird durchgefegt, aber nichts aufgehübscht. Das Casino soll so einen Berlin-Mitte-Charme haben. Tut den jungen Leuten in Kladow auch mal gut“, sagt Hanke. „Die Decke ist dicht und hält, das haben wir geprüft. Nur die Fenster fehlen, deshalb wird der Ort auch nur bis zum Herbst genutzt. Im Winter ist es zu kalt und zugig. Die Seitenflügel mit den Treppen werden wir abriegeln. Aber auch andere Kladower Bürgerinnen und Bürger sollen diesen Ort temporär in diesem Sommer für sich entdecken – zum Beispiel für Ausstellungen, für Kultur, für einen Trödelmarkt.“ Der Mietvertrag mit Melms werde erweitert.
„Das ist eine Open-Air-Kulturfläche mit Blick auf die Havel und mit einem Dach über dem Kopf – wo gibt es das schon? Der Gastronom wird auch aus Eigeninteresse dafür sorgen, dass dort Ordnung reinkommt“, sagt Stadtrat Hanke. „Melms musste selbst jeden Morgen seine Gartenmöbel aus der Havel holen, weil die Jugendlichen damit zum Ufer gezogen sind. Aber ich kann die verstehen: Denen ist langweilig. Problematisch war aber nicht der Musiklärm, sondern vor allem die Scherben, der Müll, der Autokrach in der Nacht. In den Autos wurden Getränke und Technik transportiert. Das Tor oben zum Kladower Damm wird jetzt abends abgeschlossen. Die Handwerker waren schon da. Wer zum Gutspark will, muss über die Imchenallee. Da kommt man nicht mit dem Auto durch. Mal gucken, wie das funktioniert.“
Wie geht es mit den Ausbauplänen weiter? Hanke zum Spandau-Newsletter: „Die Planungsunterlagen, also die ganz dicke Akte, liegt aktuell drüben beim Senat. 2021 soll es losgehen. Dann legen wir die Be- und Entwässerung vom Kladower Damm runter zum Gutspark und dann kann alles gebaut werden. 2021 will ich auch gleich das Verwalterhaus fertigmachen lassen. Das Dach haben wir schon drauf. Dann kann Ende des Jahres 2021 auch Bork Melms mit seinem Cafe dort einziehen.“ Das Café ist heute in der Villa, in der einst die Mutter von Bismarck lebte; das Verwalterhaus befindet sich direkt nebenan (oberes Bild, rechts).
Wann wird das Casino abgerissen? „Unser Zeitplan sieht vor, dass wir im März oder eher Mitte 2021 das Casino abreißen. Dann sind die Techno-Partys eh Geschichte. Das Haus ist nicht mehr zu retten. Dort entsteht eine Scheune – für Hochzeiten, für Feste, mit großem Veranstaltungsraum für Feierlichkeiten. Und in der großen Villa, wo jetzt das Café drin ist, entsteht ein Kulturort mit Außenstelle vom Standesamt. So eine Hochzeit mit Blick auf den Wannsee stelle ich mir gut vor. Finanzieren wollen wir das alles über GRW-Mittel, die uns der Senat gibt. Da stehen wir mit Wirtschaftssenatorin Ramona Pop in Kontakt. Wie lange das alles dauert? Wenn Sie mich heute fragen: 2025 oder 2026 könnten wir fertig sein.“
Unterstützung gibt es im Rathaus. Die Techno-Partys waren auch Thema beim Ordnungsamt: „Die historischen und sanierten Gutspark-Fassaden wurden besprayt. Sorry, da hat Streetart echt nichts zu suchen“, sagte mir jetzt Stadtrat Stephan Machulik, SPD, der fürs Ordnungsamt zuständig ist. „Die machten dort Party in einer Zeit, in der die Polizei schon genug zu tun hat und das Ordnungsamt nicht im Dienst ist, also 22 Uhr bis Morgengrauen. Da muss Ordnung rein, und Bork Melms hat die Erfahrung, bringt andere Leute mit. Wir sollten den Test-Ballon jetzt starten.“
Hier mein Video aus der Ruine des alten Awo-Casinos. Darunter finden Sie auch mehr Fotos vom Gelände. – Text: André Görke
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