Kultur
Trinker, Spitzel, DDR-Opfer: Erschossen am 7. Februar
Veröffentlicht am 04.02.2020 von André Görke
Trinker, Spitzel, DDR-Opfer: Erschossen am 7. Februar in Berlin-Staaken. Diese Geschichte ist bizarr und brutal und lässt sich kaum in Kurzform erzählen. Es ist die Geschichte des Mauertoten Willi Block. Der gehörte 1960 einer Betriebskampfgruppe an, baute 1961 die Berliner Mauer und kannte daher auch ihre Schwächen. Im Januar 1962 floh er das erste Mal aus der DDR in den Westen, kehrte zurück und wollte seine Frau holen – Festnahme. Er kam ins Arbeitslager. Nach sechs Wochen wurde er wieder entlassen – auch auf Intervention seines offenbar einflussreichen Vaters. Block wurde IM. Im August 1962 flüchtete er ein zweites Mal nach West-Berlin und verriet, dass er DDR-Spitzel ist. Als sich seine Frau von ihm trennen wollte, kehrte er wieder in die DDR zurück – wieder Festnahme, diesmal Stasi-Knast in Bautzen. „Im November 1965 wird er vorzeitig entlassen und muss eine vom Staat zugewiesene Arbeitsstelle im Betonwerk Staaken annehmen, das sich in Grenznähe zu West-Berlin befindet“, heißt es in der Mauerchronik. Am 7. Februar 1966 ist er fürchterlich betrunken und wird nach Hause geschickt. Doch Block klettert in den Grenzstreifen. Die Hunde freuen sich absurderweise, die Grenzer schießen Leuchtkugeln – Block verfängt sich im Stacheldraht von Staaken. Als auf Ostseite immer mehr Grenzer erscheinen, die Maschinenpistolen schussbereit, laden auch die West-Polizisten ihre Waffen durch und gehen hinter Bäumen in Deckung. Stillstand am Finkenkruger Weg am Spektesee.
„Erschießt mich doch, ihr Hunde“, soll der betrunkene Willi Block, 32, den Grenzern an diesem Nachmittag zurufen, gefangen im Stacheldraht. Als Block vorwärtsrobben will, fallen Schüsse. Der DDR-Chefgrenzer schießt wie von Sinnen um sich, bis das Magazin leer ist – und lässt sich eine weitere Kalaschnikow geben. 72 Schüsse fallen auf Willi Block, der betrunken am Boden liegt, verfangen im Stacheldraht. Drei Kugeln sind tödlich. Es ist der 7. Februar 1966 – der Todestag jährt sich am Freitag. An Block erinnert eine kleine Gedenkstätte (Foto) am Finkenkruger Weg Ecke Albrechtshofer Weg. – Quelle: chronik-der-mauer.de – Text: André Görke
+++
Dieser Text stammt aus dem aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau. In unseren Bezirks-Newslettern berichten wir kompakt, konkret und einmal in der Woche, was los ist in Ihrem Bezirk. 180.000 Haushalte haben die Newsletter schon fest abonniert. Sie haben auch Interesse? Den Spandau-Newsletter gibt es kostenlos, kompakt und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de
+++
Meine weiteren Themen im Newsletter für Spandau – hier eine Auswahl.
- Coronavirus in Kladow? Chinesin angeblich abgewiesen – Krankenhaus widerspricht energisch
- Spree Ecke Havel: Erste Simulation vom Café am Millionen-Projekt Geschützgießerei
- Restaurantschiff, Flaniermeile, Stadtplatz: Ausbaupläne fürs Altstadt-Ufer
- „Prenzlauer Berg hat kein Wasser, ich musste zurück nach Spandau“: Interview mit einer Kaffee-Händlerin in der Altstadt
- BVG nennt Update für Schnellbus X38 nach Potsdam
- BVG nennt Update für Schnellbus X37 nach Falkensee
- Wieder Ärger an der Currywurstbude an der Heerstraße
- Spitzel, Trinker, 72 Schüsse: Erinnern an Mauer-Toten in Staaken
- „Unsere 275-Mio-Baustelle„: Dritter Speicher am Havel-Ufer wird abgerissen
- Milieuschutz am Siemens-Campus?
- Ferien-Tipp: Frische Luft auf der BVG-Fähre in Kladow (mit ganz viel Patina)
- Berlins 1. Einkaufszentrum entstand 1961 in Siemensstadt: So berichtete der Tagesspiegel, und hier sind Ihre Leserbriefe
- …das alles und noch viel mehr Kieznachrichten, Termine, Ideen und persönliche Tipps im aktuellen Spandau-Newsletter. Den gibt es in voller Länge hier: leute.tagesspiegel.de