Kultur
Wie DDR-Bauern nach Kladow kamen
Veröffentlicht am 28.04.2020 von André Görke
Wie DDR-Bauern nach Berlin-Kladow kamen. Diese Geschichte ist groß, voller Details und Berlin-Historie. Neulich entdeckte ich leider die Todesanzeige zu Hans-Georg Guyot, 83, „Gärtnermeister“ aus Kladow. Der Mann war eine kleine Berühmtheit. Die halbe Stadt kaufte einst bei ihm Blumen, als es noch kein Umland gab, sondern am DDR-Todesstreifen Schluss war. Guyot, das verrät der Name, hatte einen französischen Ursprung. Vor 20 Jahren wurde im Tagesspiegel daran ganz beiläufig erinnert. Damals erhielt der Pankower Ortsteil Buchholz seinen alten Namen zurück: „Französisch Buchholz“. Vor über 300 Jahren hatten französische Bauern dort Land bekommen, ehe der Name 1913 verschwand. Zu diesen französischen Wurzeln gehörte auch eine gewisse Gärtnerfamilie namens Guyot. „Der letzte Guyot zog in den Fünfzigern weg“, schrieb der Tagesspiegel 1999. Es war jener Gärtner aus Kladow, der die DDR verlassen hatte.
Aber wie kam er nach Kladow? Ans Ende der Welt, fernab von Hauptstraßen? Wer die Gärtnerei besucht – Sohn Hans-Jürgen mischt seit 1994 mit, organisiert dort Comedy-Events und „Treibhaus“-Partys – muss hinterm Einkaufszentrum übers Feld fahren. Früher war da noch viel weniger. Nichts. Nur Grün am Ende der Stadt – hier eine Luftbildaufnahme.
Im Tagesspiegel habe ich einen Text von Januar 1961 gefunden, der diesen besonderen Ort erklärt. Am Stadtrand von West-Berlin wurde „geflüchteten Bauern aus der Sowjetzone“ (also der DDR) ein Stück Land angeboten. Diese Flächen befanden sich in Buckow und Rudow, in Staaken und besonders viele in Kladow am Ritterfelddamm. Selbst der eher wenig blumige Tagesspiegel staunte im Januar 1961, wie unglaublich weit draußen dieses Stück Land doch lag.
„Wo die Finnenhaus-Siedlung in Kladow aufhört, führt ein unwegsamer, holpriger Feldweg in die Eiswüste. Die Bauern nennen ihn Mittelweg, sonst hat er keinen Namen. Er liegt südlich des Flugplatzes Gatow und östlich vom Ritterfelddamm. Die Felder hatten sich in eine einzige spiegelnde Fläche verwandelt, vor der wir normalerweise achselzuckend kapituliert hätten.
Aber der Schalterbeamte auf der Post, den wir nach längerer Irrfahrt um Rat baten, versicherte mit aller Bestimmtheit, dass jenseits der Einöde das Ziel unserer Reise liege: das Baugelände der Deutschen Bauernsiedlung, die dort in Anwesenheit des „Regierenden“ (Willy Brandt) ein Richtfest feiern will. Und wenn man genau hinsah, war auch wirklich ganz am Rande des Feldes etwas zu erkennen, was eine Baustelle sein könnte.
Ob denn bei dieser Temperatur überhaupt eine Menschenseele hier draußen zu entdecken sein würde? Wir zweifelten sehr daran: Aber als wir wie die Nordpolforscher weit genug über das Eis vorgedrungen waren, entdeckten wir tatsächlich vermummte Gestalten, die Ähnlichkeit mit Eskimos aufwiesen. Die in dicke Lederkombinationen verpackten Arbeiter waren damit beschäftigt, das „Gerippe“ eines Gewächshauses aneinander zu fügen.“ So beginnt die Geschichte der Bauernsiedlung von Kladow 1961 – hier der ganze Text aus dem Tagesspiegel-Archiv. – Text: André Görke
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