Namen & Neues

Erfindung der 70er Jahre: Heerstraße (I)

Veröffentlicht am 21.05.2019 von André Görke

Die ominöse Spurwechselanlage auf der fünspurigen Heerstraße kennen Sie: Das Ding ist eine heimliche Berliner Berühmtheit, weil die routiniert rumzickt wie die BER-Brandschutzanlage – letzte Woche erst hier nachzulesen. Eigentlich soll der Berufsverkehr (50.000 Autos, zig BVG-Busse) morgens auf drei der fünf Fahrspuren in die City rollen – und nachmittags umgekehrt. Klappt oft nicht – Folge: Stau ohne Ende. Paul Fresdorf, FDP, hat uns geschrieben, dass er beim Senat noch mal nachhakt. Wir haben die Wartezeit im Stau mal für einen Blick ins Tagesspiegel-Archiv genutzt: Die Anlage gibt es seit September 1970, eröffnet wurde sie von Bausenator Rolf Schwedler, SPD. Die 15 Brücken mit den dynamischen Anzeigetafeln waren ein Forschungsprojekt des Verkehrsministeriums in Bonn.

„Überblickt kein Autofahrer“: Heerstraße (II). Überhaupt waren es offenbar abenteuerliche Zeiten, wie man im Tagesspiegel lesen kann: Fußgängerampeln über die Heerstraße wurden erst 1969 (!) aufgestellt. Tolle Idee, denn: Auf der Heerstraße galt damals Tempo 70 und selbst auf der parallel verlaufenden, kleinen Heerstraße Tempo 50. Autofahrer hat man damals offenbar für ziemlich doof gehalten, anders ist die Betriebsanleitung im Tagesspiegel nicht zu verstehen: „Rotes Kreuz über der Straße bedeutet: gesperrt; grüner Pfeil heißt: Sie dürfen fahren.“ Allerdings hieß es 1971 nach ersten Erfahrungen: „Die Fülle von Schildern und Lichtsignalen bei Tempo 70 können vom Kraftfahrer nicht überblickt und in richtiges Fahrverhalten umgesetzt werden.“ Bei Heimspielen von Hertha BSC war übrigens geplant, im Verhältnis 4:1 fahren zu lassen – heißt: Vier Fahrspuren in die Stadt und nur eine nach Spandau. Es blieb bei dieser wilden Idee. – André Görke
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