Namen & Neues
Kein Weihnachtsmarkt in der Altstadt
Veröffentlicht am 18.08.2020 von André Görke
Kein Weihnachtsmarkt in der Altstadt in Berlin-Spandau. Achtung, es folgt ein Temperatursturz. Der Weihnachtsmarkt in der Altstadt fällt 2020 aus. Die meisten Altstadt-Gassen werden in diesem Winter leer bleiben. Kein Glühwein, kein Gedränge. Grund: Corona. „Der Weihnachtsmarkt in der Altstadt ist in diesem Winter leider nicht möglich“, sagte mir Wirtschaftsstadtrat Gerhard Hanke, CDU. „Das tut weh, er ist ein Erkennungszeichen, aber 2021 kehrt er hoffentlich wieder zurück.“ Der Zugang zur Altstadt ist nicht kontrollierbar: Es gibt fast 20 Straßen, etliche U-Bahntreppen, Kaufhäuser, Arztpraxen und viele Anwohner. Da wäre niemals ein geregelter Zugang zum Weihnachtsmarkt möglich. Deshalb hat das Gesundheitsamt um Chefin Gudrun Widders letzte Woche den „Abgelehnt“-Stempel aufs Papier gedrückt. Doch es gibt Alternativen – und zwar drei.
Der Weihnachtsmarkt 2020 zieht in die Zitadelle. Dort sollen nach Angaben von Wirtschaftsstadtrat Gerhard Hanke, CDU, über 70 Stände aufgebaut werden. Die Festung hat Charme, ist ein Spandauer Wahrzeichen und hat nur eine Zugangsbrücke. „Wir sitzen gerade am Hygienekonzept. Die Marktstände werden über die Zitadelle verteilt. Wir wollen dort auch eine Eisbahn aufbauen und die Schafe hineinlassen. Die Zitadelle hat Ambiente. Wenn wir das schön illuminieren, kann dieser Weihnachtsmann ganz schnuckelig sein. 4000, 5000 Leute brauchen wir schon. Online-Tickets wird es wohl nicht geben. Wir werden am Eingang zählen. Wenn die Zitadelle voll ist, ist sie voll.“
„Schon nächste Woche will ich die Beleuchtung in der Zitadelle testen“, sagte mir Sven-Uwe Dettmann („Partner für Spandau“), der schon seit 2002 den Weihnachtsmarkt in Spandau plant. Hier verrät er die ersten Details: „12.000 Quadratmeter stehen uns zur Verfügung, da passen 80 bis 100 Stände hin. Eintritt möchte ich nicht nehmen. Ich denke an eine Art Rundgang mit Kunsthandwerk und weihnachtlichem Lustwandeln. Stadtrat Frank Bewig hat viele Ideen eingespeist und mir geholfen, wie viele andere auch. Für diese Hilfe bin ich dankbar. Auch die Krippe wird aufgebaut, und Schäfer Björn Hagge kommt aus Staaken mit seinen Tieren“ – in der Altstadt war das vor der Kirche St. Nikolai aus Tierschutzgründen nicht mehr möglich.
Gastro-Höfe, Winterkino, eine Eisbahn in der Zitadelle. „Zwischen den Ständen wird viel Platz sein. In den Höfen der Zitadelle bauen wir die Gastro auf, dort gibt es Getränke und Essen“, erzählt mir Dettmann über den Weihnachtsmarkt. „Im Hafen der Zitadelle wollen wir abends ein kleines Winterkino anbieten, mit Film-Klassikern auf der Fassade: ‚Feuerzange‘ mit Heinz Rühmann oder Pippi Langstrumpf für Kinder. In der Mitte, wo normalerweise Konzerte stattfinden, will ich eine Eisbahn aufbauen – klimafreundlich, also ohne Wasser. Die Eisbahn ist aus Kunststoff und soll glatter sein als normale Eisflächen. Aber das weiß ich nicht so genau, ich bin leider kein guter Schlittschuhläufer. Von der Eisbahn haben aber die Spandauer Kinder auch nach Weihnachten etwas: Wir wollen die Eisbahn bis zu den Winterferien im Februar dort stehen lassen, also auch zur Silvester-Feier. Somit hat Spandau nach vielen Jahren mal wieder eine Eisbahn.“ Wer übrigens skeptisch ist: So sah die synthetische Eisbahn bei Olympia 2016 in Rio aus.
Der zweite Weihnachtsmarkt-Rummel zieht wiederum vom Rathaus-Vorplatz auf die Postbrache ans Havelufer. In der Altstadt selbst sollen alle Gassen leer bleiben – bis auf dem Markplatz der Altstadt: Dort soll ein dritter Mini-Markt entstehen, mit nur sechs, sieben Ständen. „Und in der Mitte möchte ich den traditionellen Weihnachtsbaum aus dem Fichtelgebirge aufstellen lassen“, erzählte mir Dettmann.
Wer 1+1 kombinieren kann, konnte zwischen den Zeilen längst mitlesen: Im April zitierte ich Weihnachtsmarkt-Chef Sven-Uwe Dettmann, der schon so eine Ahnung hatte („Die Hoffnung stirbt zuletzt“). Im Juni schlugen Bettina und Arndt Meißner, CDU, vor, den Weihnachtsmarkt zu entzerren („zum Beispiel an die Havel oder in die Zitadelle“), weil es in den Gassen schlicht zu eng sein wird. Im Juli lenkte Frank Bewig, CDU, schon mal den Blick auf die weitläufige Postbrache am Fluss. Und letzte Woche zitierte ich Lukas Schulz, SPD, der sich nicht zufällig prompt nach den Ferien nach den aktuellen Weihnachtsmarkt-Plänen erkundigte. Jetzt also die Entscheidung.
Und was sagt die Opposition? „Ich stelle mir einen Weihnachtsmarkt vor der Kulisse der Zitadelle sehr schön vor“, sagte mir Oliver Gellert, Fraktionschef der Grünen. „In der Altstadt selbst werden nur einzelne Stände am Markt geprüft, aber laut Bezirksamt wird dort kein Weihnachtsmarkt-Charakter entstehen. Final bleibt noch das Family-Winter-Wonderland auf dem alten Postgelände. Ich persönlich bin kein großer Freund von dieser Form des Weihnachtsrummels mit Fahrgeschäften, denke aber, dass es für das Schaustellergewerbe ungemein wichtig ist, dass sie die Chance erhalten, in diesem Jahr noch ihrem Gewerbe nachgehen zu können.“ Sein Fazit: „Ich halte die Aufteilung auf mehrere Orte mit inhaltlichen Trennungen für spannend und hoffe sehr, dass das Konzept umgesetzt werden kann und angenommen wird.“ In 14 Wochen gibt es Punsch. – Text: André Görke
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